© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  01/10 01. Januar 2010

CD: Liedermacher
Schlaumeier
Georg Ginster

Ich bin nicht mehr jung, und ich brauche das Geld“, sang Funny van Dannen bereits vor einem Jahrzehnt, als er gerade einmal die 40 überschritten hatte und als eine noch junge Prominenz im Bespaßungsgewerbe auf den Kleinkunstbühnen der Republik gelten konnte. Eine Konsequenz hat er erst viel später gezogen. Seit 2007 ist nicht mehr das wie eine Non-Profit-Organisation daherkommende Fundgrubenlabel Trikont seine publizistische Heimat, sondern die Vermarktungsfirma der Toten Hosen, wobei man sich der Vertriebswege des Global Player Warner bedient. Die Grenzen, die sein Genre nun einmal setzt, dürfte Funny van Dannen dennoch weiterhin nicht verschieben können.

Dies gilt um so mehr für seine aktuelle CD „Saharasand“, als er sich mit ihr selbst treu bleibt und dieser Stillstand letztendlich als ein Rückschritt betrachtet werden muß. Anzulasten ist dies dem getreuen Alltagsbefindlichkeitschronisten der späten Kohl-Jahre und der Ära Schröder nicht. Ihm geht vielmehr der Stoff aus. Die Zonen der Muße, in denen skurrile Weisheiten, Ideosynkrasien und Lebensentwürfe ins Kraut schießen konnten, sind durch die Disziplinarmaßnahmen der Leistungsgesellschaft mehr und mehr trockengelegt, so daß es für Funny van Dannen kaum noch etwas zu beobachten gibt, was durch eine bloß gelinde Zuspitzung bereits die Lacher auf seine Seite zöge.

Die Häufigkeit bloß kalauernder Lieder auf der neuen CD ist ein weiteres Indiz für den schwindenden Bezug zu dem, was um ihn herum geschieht. Seine Stärke, aus dem – vornehmlich Berliner – Leben gegriffene Charaktere zu entwickeln und zu begleiten, blitzt nur ein-, zweimal auf, wohingegen der Hang zu melancholischen, nur vermeintlich ironisch gebrochenen Abschweifungen zugenommen hat. Vielleicht aber gibt es ja über die Hauptstadt auch schlichtweg nicht mehr zu sagen, und vielleicht ist das, was dort gedacht und gefühlt wird, für die Menschen draußen gar nicht von so großem Interesse.

„Einen Menschen wie dich gibt’s nicht nochmal, aber das kann man zu jedem sagen, du bist wirklich nichts Besonderes, da kannst du jeden fragen“: Zu dieser präzisen Standortbestimmung des Individuums in der modernen Gesellschaft, die Funny van Dannen auf seiner neuen CD anbietet, liefert Wolfgang Müller auf seiner sinnvollerweise „Gegen den Sinn“ (Rintintin/ Indigo) getauften CD das musikalische Kontrastprogramm.

Müller glaubt an den Menschen, genauer gesagt an zwei von ihnen, sich selbst und sein (weibliches) Gegenüber. Oh ja, die Liebe, die liebe Liebe oder vielleicht auch nur die Liebe zur Liebe, sie macht ihn ganz trunken, sie verleitet ihn zu atemberaubenden Assoziationen und schlaumeierischen Wortspielen, zu mutigen Phantasien und kühnen Metaphern, ganz verträumt geht es dazu, ganz verspielt, so als wären er und sein Gegenüber wundersame Wundertüten mit ganz viel drin, lauter geheimnisvollen Überraschungen.

Doch so ist es leider nicht, und läßt man sich von den hingehauchten Gefühlsduseleien, weil man zufälligerweise einen ausgeglichenen Hormonspiegel hat, nicht einlullen, kann man eigentlich zu keinem anderen Urteil kommen: Es ist einfach nur unappetitlich, die banalen Gefühle des Alltags romantisieren zu wollen.

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