© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  01/10 01. Januar 2010

UMWELT
Grippale Milliarden
Michael Howanietz

Die Aktienkursprofiteure der Tamiflu-Massenpanikeinkäufe im Zuge des Vogelgrippe- und Schweinegrippe-Ausbruchs wird es nicht besonders jucken. Und anläßlich der Finanzkrise wurden weit mehr Steuermilliarden abgewrackt. Eine neue Studie allerdings stellt einmal mehr in Frage, ob das Influenza-Wundermittel Tamiflu hält, was sein Hersteller Roche verspricht. Milliarden Dollar, Euro und Pfund wurden von pharmaindustriell verunsicherten und medial unter Anschaffungsdruck gesetzten Regierungen investiert, um ihre Völker gegen angeblich drohende Grippepandemien zu wappnen. Mit welchem Nutzen? Mit kaum meßbarem, behaupten die Mediziner um Chris del Mar von der australischen Bond-Universität, die ihre Studienergebnisse im British Medical Journal veröffentlichten. Der in Tamiflu enthaltene Wirkstoff Oseltamvir könne die Symptome einer Influenza um bestenfalls einen Tag verkürzen.

Es sei zudem nicht belegbar, ob das Medikament Grippepatienten vor Komplikationen wie einer Lungenentzündung bewahren könne. Mike Clarke vom britischen Cochrane-Zentrum sieht in den Studienergebnissen nicht nur eine Infragestellung der Effizienz des Tamiflu-Wirkstoffs, sondern des gesamten Zulassungssystems für Medikamente. Die Forderung der Herausgeber des British Medical Journal lautet demgemäß: Die Hersteller sollten künftig verpflichtet werden, sämtliche Studiendaten zugänglich zu machen. Roche läßt dazu wenig Bereitschaft erkennen. Der Konzern ließ verlauten, er glaube an die Zuverlässigkeit der publizierten, den Zulassungsbehörden vorgelegten Resultate. Indes spielte Tamiflu seinem Hersteller im Jahr 2009 – nach eigenen Schätzungen – satte 1,8 Milliarden Euro ein.

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