© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  01/10 01. Januar 2010

Straßenkampf im Ferienlager
Linksextremismus: Ein von sogenannten „Autonomen“ auf einem Pfadfinderzeltplatz organisiertes „Antifaschistisches Sommercamp“ sorgt für Aufregung
Felix Krautkrämer

Hans-Joachim Böhm ist verärgert. „Das ist alles nicht richtig. Das ist eine erfundene Räuberpistole“, erregt sich der Jugendbildungsreferent des hessischen Landesverbands vom Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP).

Anlaß für Böhms Ärger ist ein Artikel aus dem Berliner Tagesspiegel von Anfang Dezember. Darin wurde über ein Zeltlager berichtet, das linksextreme Gruppen Mitte August im hessischen Vogelsberg abhielten. Etwa hundert sogenannte „Autonome“ hätten daran teilgenommen. Unter anderem seien die gewaltbereiten Linksextremisten neben Agitation auch im Nahkampf mit Schlagstöcken trainiert worden. Sicherheitskreise seien deswegen alarmiert. „Die Autonomen wandten Angriffs- und Verteidigungstechniken an, gegen die Judo nahezu kindlich wirkt“, heißt es in dem Artikel.

Gemeint ist das „Antifaschistische Sommercamp 2009“, das vom 19. bis zum 23. August bei Homberg vom Bündnis antifaschistischer Gruppen Hessen, kurz B.A.S.H., veranstaltet wurde – und zwar auf dem Zeltplatz des BdP. Jugendreferent Böhm hatte den Linksextremisten den Lagerplatz vermietet. Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT sagt er, er habe gewußt, um wen es sich bei den Mietern handelt, und auch das Programm des „Antifa-Camps“ sei ihm bekannt gewesen. Die Darstellung aus dem Tagesspiegel sei jedoch falsch. „Unser Platzwart hat berichtet, daß die Jugendlichen die meiste Zeit weg waren. Da gab es kein Kampftraining. Die haben nur diskutiert. Aus welchen Gründen das jetzt, nach über einem Vierteljahr, so dargestellt wird, weiß ich auch nicht.“ Laut dem Programm des „Antifa-Camps“ war allerdings an einem Abend der mehrtägigen Veranstaltung auch ein zweistündiger „Selbstverteidigungs-Workshop“ angesetzt. In einem anderen Seminar mit dem Titel „Zur eigenen Sicherheit – Repression und Möglichkeiten des Widerstands“ sollten den Teilnehmern „praktische Tipps zum Verhalten bei Demos, Aktionen, bei Bullen oder bei Hausdurchsuchungen“ gegeben werden. Daß von dem Ganzen möglichst wenig nach außen dringen sollte, zeigt der Hinweis der Veranstalter, „Laptopps und Fotoausrüstung“ müßten „unbedingt zu Hause“ gelassen werden. Um so verwunderlich ist es, daß dem B.A.S.H der Pfadfinder-Zeltplatz zur Verfügung gestellt wurde, obwohl Anmelder und Programm bekannt waren. Schließlich gehören dem Bündnis unter anderem die Autonome Antifa Frankfurt, die „Antifaschistische Linke Darmstadt, die Antifa Gießen sowie die Antifa Offenbach an – allesamt Gruppen des linksextremen und linksradikalen Spektrums.

Das hessische Landesamt für Verfassungsschutz wollte sich nicht zu den Vorgängen während des Antifa-Camps äußern. Es zähle nicht zu den Aufgaben der Behörde, „Artikel der Zeitung Tagesspiegel zu kommentieren“, hieß es auf Aufrage der JF. Gegenüber dem Gießener Anzeiger gab sich der Verfassungsschutz auskunftsfreudiger. Dort bestätigte man den Bericht: „Was im Tagesspiegel steht, das stimmt. Es hat bei Homburg ein Camp von Autonomen gegeben, wie es in dieser Art in Hessen noch nie der Fall war“, zitiert das Blatt Verfassungsschutz-Sprecher Werner Maystädt. Seine Behörde habe bereits seit August von dem Antifa-Lager gewußt und werfe derzeit verstärkt ein Auge auf den Linksextremismus.

Für den Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder ist die Angelegenheit um so peinlicher, da aus seinen Reihen bündischen Jugendgruppen mitunter mangelndes „Problembewußtsein für die Gefahr der Vereinnahmung durch völkische oder neurechte Gruppierungen“ vorgeworfen wird. So betreibt zum Beispiel das Berliner BdP-Mitglied Jesko Wrede die Internetseite rechte-jugendbuende und veröffentlichte zusammen mit dem Antifa-Journalisten Maik Baumgärtner ein Buch über „völkische und neurechte Gruppen im Fahrwasser der Bündischen Jugend“ (JF 36/09).

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