© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/09-53/09 18./25. Dezember 2009

Kurprinz im Pelzhut
Im Auftrag der Hohenzollern: In Berlin sind die Bestände der Cranach-Werkstatt zu sehen
Ekkehard Schultz

Das Zeitalter der Renaissance in Berlin zählt zu den eher seltener beleuchteten Kapiteln der Stadt- und Landesgeschichte. Dies liegt zum einen daran, daß heute nur noch sehr wenige architektonische Zeugnisse dieser Epoche an Spree und Havel existieren. Zum anderen hatte die spätere preußische Geschichtsschreibung mit der eher zögerlichen Haltung der brandenburgischen Kurfürsten zur Reformation ebenso Schwierigkeiten wie mit in der vergleichsweise großen Pracht-entfaltung der Renaissance, die unter dem Gebot einer strengen Sparpolitik als wenig vorbildhaft betrachtet wurde.

Andererseits wurden bereits im 16. Jahrhundert wesentliche Grundlagen für die spätere Macht des Landes innerhalb und außerhalb des Reichsverbandes gelegt. Durch eine geschickte Heiratspolitik sicherten sich die Hohenzollern politischen Einfluß und den Anspruch auf weitere Territorien, so etwa durch die Heirat des Kurfürsten Joachim I. mit der dänischen Königstochter Elisabeth im Jahre 1502.

Damit wuchs gleichzeitig das Bedürfnis nach Repräsentation. Zu diesem Zweck wurden von den brandenburgischen Herrschern Aufträge an renommierte Künstler erteilt, die sich bereits im In- und Ausland einen hervorragenden Ruf erarbeitet hatten. Dabei sollte über mehrere Jahrzehnte die Werkstatt Cranach einen besonderen Rang einnehmen. Unter diesem speziellen Blickwinkel wurden in den vergangenen Monaten erstmals die heutigen Berliner Bestände Cranachs und seiner Schüler gesichtet. Das Resultat dieser Sichtung wird nun mit der Ausstellung „Cranach und die Kunst der Renaissance unter den Hohenzollern“ an zwei Standorten – dem Schloß Charlottenburg sowie der St. Marienkirche im Zentrum Berlins – dem interessierten Publikum präsentiert. 

Bereits der Bruder Joachims I., der Mainzer Erzbischof Albrecht von Brandenburg, griff 1518 auf einen herausragenden Künstler seiner Zeit zurück. Er beauftragte Albrecht Dürer, einen Kupferstich mit seinem Porträt anzufertigen, den er als einer der ersten Fürsten unter Verwendung der modernsten Reproduktionstechniken der damaligen Zeit verbreiten ließ. Nur zwei Jahre später porträtierte Lucas Cranach der Ältere erstmals den brandenburgischen Kurprinzen Joachim II. im Feldharnisch mit erhobener Streitaxt. 1529 entstand schließlich auch das erste Bild Joachims I. von Cranach.

Zu den bekanntesten Bildern eines brandenburgischen Herrschers durch die Cranach-Werkstatt zählt jedoch das Bild von Joachim II. von 1570, welches von Lucas Cranach dem Jüngeren angefertigt wurde. Es zeigt den Herrscher auf dem Höhepunkt seiner Macht und in einer farbigen Pracht, welche selbst für die Renaissance eher untypisch war. Ein Jahr zuvor hatte Joachim II. die Mitbelehnung mit dem Herzogtum Preußen durch den polnischen König erwirkt. Dies wird auf dem Porträt durch einen ungewöhnlichen Pelzhut symbolisiert, der zu dieser Zeit nahezu ausschließlich im polnischen Herrschaftsbereich getragen wurde. Die engen Beziehungen zwischen Joachim II. und dem polnischen König Sigismund II. August, seinem Schwager, spiegeln sich auch in dem sonstigen Gewand wider.    

Gleichwohl stand Brandenburg in künstlerischer Hinsicht im 16. Jahrhundert noch stark unter dem Einfluß des benachbarten Sachsen. Als Joachim II. die Zwingburg in Berlin-Cölln zu einem Renaissanceschloß umgestalten ließ, diente ihm das kursächsische Schloß in Torgau als unmittelbares Vorbild. Dies traf ebenso auch auf die innere Ausgestaltung sowie auf Bildkompositionen und Kleidung zu. Erst ab Beginn des 17. Jahrhunderts entwickelte sich zunehmend eine eigenständige höfische Kunst in Brandenburg.   

Der besondere Wert der aktuellen Ausstellung liegt darin, daß sie weit über eine bloße Zurschaustellung der Cranach-Werke hinausreicht. Gezeigt wird ein spannendes kulturpolitisches und lokalgeschichtliches Sittenbild einer Zeit, deren Entdeckung allemal äußerst lohnend ist.

Die Ausstellung ist bis zum 24. Januar 2010 im Schloß Charlottenburg täglich außer dienstags von 10 bis 17 Uhr, Do. bis 20 Uhr, und in der St. Marienkirche, Karl-Liebknecht-Str. 8, täglich von 10 bis 18 Uhr, So. ab 12 Uhr, zu sehen. Der reich bebilderte Katalogband kostet in der Ausstellung 34,90 Euro.

Fotos: Lucas Cranach d.J., Kurfürst Joachim II. von Brandenburg, um 1570, Lucas Cranach d.Ä., Die Auferstehung Christi, 1537/38, aus dem Passionszyklus für die Berliner Domkirche

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