© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/09-53/09 18./25. Dezember 2009

WIRTSCHAFT
Wachstumstreiber Industrie
Jens Jessen

Oft wird in den Medien der Eindruck erweckt, daß die mitteldeutsche Wirtschaft auch im 20. Jahr der Wiedervereinigung den Abstand zur westdeutschen Wirtschaft kaum verringert hat. Die Statistiken sagen was anderes: Die mitteldeutsche Industrie hat von 1992 bis 2008 mit durchschnittlich 7,9 Prozent ein rasantes Wachstum vorgelegt. Vorreiter dieser Entwicklung war die Industrie mit Photovoltaik in Dresden, Bitterfeld, Erfurt und Jena, Chemie in Bitterfeld, Dessau, Dresden und Merseburg, Windenergie in Rostock und Magdeburg, Fahrzeugbau in Eisenach, Leipzig, Chemnitz und Zwickau und der Mikroelektronik in Dresden. Bis 2008 hat die dortige Industrie um real 64 Prozent zugelegt. Thüringen liegt mit einem Wachstum um durchschnittlich zehn Prozent pro Jahr an der Spitze. Alle fünf Länder in Mitteldeutschland haben zu den westdeutschen Ländern aufgeschlossen.

Trotzdem liegen die neuen Länder mit einer Arbeitslosenquote von 13 Prozent gegenüber dem Westen mit 6,4 Prozent weit zurück. Drei Gründe legen die Vermutung nahe, daß ein Angleich nicht so schnell zu erwarten ist. Die demographische Entwicklung und die Abwanderung von Führungskräften verhindert mehr und mehr die Ansiedlung von Firmen und Forschungseinrichtungen, da es an geeignetem Personal mangelt. Der Bevölkerungsrückgang und ständiger Verlust von Fachkräften wird es in Kürze auch immer mehr erschweren, Hochtechnologiefirmen und wissensintensive Dienstleistungen anzulocken. Wenn die neuen Länder eine Wende erreichen wollen, haben sie hier anzusetzen. Ohne entsprechende Infrastrukturverbesserung bei Kultur, Gesundheitsversorgung und Bildungseinrichtungen wird das derzeitige Defizit an Zukunftsbranchen nicht zu beseitigen sein.

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