© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/09 11. Dezember 2009

Die Freiheit und das Himmelreich
Laudatio II: Auszug aus Rolf Sauerzapfs Laudatio auf den Ehrenpreisträger Helmut Matthies

In den letzten 40 Jahren Deines Lebens – so lange kennen wir uns auch – spiegelt sich in einmaliger Weise die Zeit- und zugleich Kirchengeschichte. Wichtig war für Dich, wo Deine Wurzeln liegen: Du bist 1950 in Peine/Niedersachsen geboren. Aber Deine Vorfahren stammen aus der Mark Brandenburg, zum Teil aus der Neumark. Deine Ferien verbrachtest Du oft bei Verwandten in der DDR. Als Du nach dem theologischen Examen gefragt wurdest, wo Deine erste Pfarrstelle sein sollte, meintest Du: „Am liebsten in Memel.“ 1992 organisiertest Du einen Sonderzug nach Königsberg, um mit den Reisenden, mit Rußlanddeutschen und Russen aus dem nördlichen Ostpreußen vor der Domruine einen Gottesdienst zu feiern. Es folgten Studienreisen nach Breslau und Stettin, verbunden mit Kontakten zur Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen. Als in den Medien weithin „Ostdeutschland“ aus „Mitteldeutschland“ gemacht wurde, wehrtest Du Dich: „Dann sind wohl die 12 Millionen Ostdeutschen jetzt ‘Fernost-Deutsche’?“

Ostpreußen: Gottesdienst vor der Domruine

Entscheidend war für Dich ein Erlebnis während Deiner Zeit im Studienkolleg Laubach in Hessen: 1970 sollte in Kassel der nach 14 Jahren Haft in kommunistischen Gefängnissen freigekaufte Pfarrer Richard Wurmbrand sprechen. Du organisiertest eine Busfahrt dorthin. Wurmbrand wurde von den Medien, aber auch der Amtskirche als „Antikommunist“ bezeichnet; dies war damals eine „Todsünde“ gegen die „political correctness“. Trotz einer Verwarnung der Schulleitung hieltest Du an Deinem Vorhaben fest. Daraus resultiert Dein bleibender Einsatz für verfolgte Christen.

Während Deines Studiums ab 1977 in Berlin, Hamburg und Heidelberg gehörtest Du zu einem Freundeskreis, der sich für den von linken Studenten angegriffenen Theologieprofessor Helmut Thielicke einsetzte. Schon 1976 gabst Du mit dem späteren Pastor Jens Motschmann ein „Rotbuch Kirche“ heraus, in dem die Fehlentwicklungen evangelischer Kichenfunktionäre angeprangert wurden. Mit 25 Jahren warst Du für Caspar von Schrenck-Notzing ein „Repräsentant der Gegenrevolution“.

Neben Deinem Theologiestudium hatte Dich die Journalistik immer schon interessiert. Eine Hospitation bei dpa und der Akademie für Publizistik folgte zwangsläufig. Deine große Stunde erfolgte 1977, in der Berufung zum Redakteur bei „idea – Informationsdienst der Evangelischen Allianz“. Dafür hast Du Dich von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, von der Du als Pfarrer ordiniert wurdest, beurlauben lassen. Was hatte es aber mit der Evangelischen Allianz auf sich? Sie war 1848 in London gegründet als ältester ökumenischer Zusammenschluß von Christen aus Landes- und Freikirchen sowie pietistischen Gemeinschaften.

Durch den preußischen König Freidrich Wilhelm IV. enstand sie in Deutschland als Vereinigung von Christen, die an der Bibel als Grundlage für den einzelnen Christen und die Kirche festhalten wollten. Heute nennt man diese Form des Protestantismus „Evangelikale“. Nachdem der Aufbruch der Evangelikalen in Evangelisationen von Billy Graham, bei evangelikalen Missionen und in einem „Gemeindetag unter dem Wort“ in den kirchlichen Medien keinen Niederschlag fand, schuf 1970 der evangelisch-methodistische Pastor Horst Marquardt den Nachrichtendienst idea. Als Leiter von idea seit 1978 ist es Dir gelungen das größte evangelische Magazin, idea-Spektrum mit einer Auflage von über 30.000 Exemplaren, zu schaffen. Idea schuf damit auch eine alternative Stimme zur politischen Situation im Südlichen Afrika, Chile und Südvietnam, setzte sich für eine biblisch begründete Ethik ein (in der Frage der Abtreibung) und erhob das Wort für Verfemte wie Steffen Heitmann, Martin Hohmann und Eva Herrman. Zu Recht konnte die Welt schreiben: „Idea ist das wohl erfolgreichste Unternehmen der auf die Herausforderung der Kulturrevolution antwortenden konservativen Alternativpublizistik.“

Zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer kann mit Blick auf Helmut Matthies‘ Arbeit gesagt werden: Als deutscher Patriot hat er immer an der Wiedervereinigung festgehalten. Du hast nach der Wende die Fotos von zwölf Personen veröffentlicht, die immer an die Wiedervereinigung geglaubt haben. Dein eigenes Konterfei hattest Du dabei vergessen. Die Stasi hat wohl gewußt, warum sie zehn IMs auf Dich angesetzt hatten, darunter einen Pfarrer.

Im Frühjahr 1989 warb die Evangelische Kirche mit Gebetsveranstaltungen „für die Freiheit von Namibia“, das vom südafrikanischen „Apartheidsregime“ verwaltet wurde. Idea titelte: „Beten für die Einheit und Freiheit Deutschlands“ und berichtete von einem Gottesdienst am 17. Juni in Fulda, an dem 250 Angehörige der Deutschen Burschenschaften und des Bundesgrenzschutzes teilnahmen. Es war für mich und viele eine Gebetserhörung: Fünf Monate später fiel die Mauer. Besonders hat es Dein Leitartikel vom 4. Oktober 1989 „Wiedervereinigung – was sonst?“ den Kirchen angetan: Du wurdest von Deiner Kirchenleitung einbestellt. Deine Artikel für idea seien „friedengefährdend“ und „rechtsradikal“. Du bliebst dabei. Anfang November 1989 wurde auf der EKD-Synode über Fragen des „Feminismus“ diskutiert; die DDR-Flüchtlinge kamen nicht vor. Am 9. November fiel die Mauer und öffnete sich die Grenze. Viele stimmten mit Dir ein: „Nun danket alle Gott!“

Ich wünsche Dir von Herzen den Erhalt Deiner Gesundheit, Gottes Segen und Geleit in eine gute Zukunft. Möge Dein Einsatz für idea beflügelt sein von dem Wort Ernst Moritz Arndts: „Die Freiheit und das Himmelreich gewinnen keine Halben“. Bleibe ein Ganzer!

 

Dr. Rolf Sauerzapf ist Kirchenrat, Vorsitzender der „Hilfsaktion Märtyrerkirche“ und war bis zum Jahr 2001 Evangelischer Dekan des Bundesgrenzschutzes.

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