© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/09 04. Dezember 2009

Frisch gepresst

Ernst Nolte. Nachdem Siegfried Gerlich 2005 seine Gespräche mit Ernst Nolte veröffentlichte, um „Einblicke“ in das Werk des Historikers zu eröffnen (JF 25/05), nimmt der Hamburger Philosoph nun einen zweiten Anlauf zu einer Werk­interpretation (Ernst Nolte. Portrait eines Geschichtsdenkers. Edition Antaios, Schnellroda 2009, gebunden, 352 Seiten, Abbildungen, 22 Euro). Was Gerlichs ungemein dichter, auf vielen Seiten fast absatzloser Text hier bietet, ist fraglos „Nolte für Fortgeschrittene“. Dabei geht Gerlichs Ehrgeiz nicht aus auf originelle Deutungen: Bei einem Denker, dessen Werk seit Erscheinen seines gemeinhin als „berüchtigt“ stigmatisierten FAZ-Artikels über die „Vergangenheit, die nicht vergehen will“ (1986), in einzigartiger Weise reduziert, entstellt, versimpelt, ja kriminalisiert worden ist, kommt es primär darauf an, dessen Anliegen verstehbar zu machen. Das kostet den Autor wie auch den mit Noltes Schriften vertrauten Leser Anstrengung – eine Anstrengung, die als Minimalanforderung an jeden zu stellen ist, der wissenschaftlich arbeitet. Befreit scheinen davon nur notorische Zitatenfälscher wie Jürgen Habermas oder der hierzulande Narrenfreiheit genießende Marcel Reich-Ranicki, die beide kräftigen Anteil daran haben, daß Nolte durch eine „Kampagne der Desinformation und Denunziation“ (Immanuel Geiss) aus dem vermeintlich „herrschaftsfreien Diskurs“ eliminiert wurde. Gerlich arbeitet auch dieses Kapitel aus dem Schaffen des Geschichtsdenkers, den „Historikerstreit“, in so sachlicher Kühle auf, daß sich aus dem Abstand eines Vierteljahrhunderts das Rinnsteinniveau des immer noch lästig fallenden „linken Gesinnungsterrors“ in seiner ganzen bejammernswerten Tristesse erschließt.

 

Piraten. Ray-Ban-Sonnenbrille statt Augenklappe, Adilette statt Holzbein und Panzerfaust statt Enterhaken – so präsentieren sich heutige Piraten, die am Horn von Afrika vom Containerschiff bis zum Ausflugsdampfer so ziemlich alles ins Visier nehmen, was Beute oder mindestens Lösegeld verspricht. Der Konstanzer Historiker Michael Kempe widmet sich in der „Was stimmt“-Reihe des Herder-Verlags einem Phänomen, das seit etwa zwei Jahrzehnten wieder die internationalen Gewässer unsicher macht, nachdem es bereits als Relikt vergangener Tage abgeschrieben wurde. Neben historischen Exkursen bis in die Antike – wobei Kempe viele aus fast 100 Jahren filmischer Rezeption übernommene Klischees und Legenden widerlegt – bietet das Werk kurze Erläuterungen über internationales See- und Völkerrecht. Seine Exkurse in die moderne Produkt- und Internetpiraterie gehen leider über allzu fragmentarische Allgemeinplätze nicht hinaus (Piraten. Wissen, was stimmt. Freiburg i. Br. 2009, broschiert, 127 Seiten, 8,95 Euro).

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