© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/09 04. Dezember 2009

Zeitschriftenkritik: Deutsche Geschichte
Objektivität sieht anders aus
Werner Olles

Mit dem Mauerfall und Erich Honeckers Ende als Schwerpunktthema befaßt sich die im 20. Jahrgang zweimonatlich erscheinende Zeitschrift Deutsche Geschichte (Untertitel: „Europa und die Welt“) in ihrer aktuellen Ausgabe. Aus dem verzerrten Blickwinkel des Autors ging es den Mitteldeutschen bei ihrer friedlichen Revolution und der anschließenden Wiedervereinigung jedoch „vor allem um Konsum, Konsum, Konsum“. Nun mag diese Einschätzung zwar für einen Teil zutreffen, doch durchzieht den gesamten Beitrag ein Ton, den man eher von linksaußen angesiedelten Publikationen erwartet hätte. So wird die Absetzung Honeckers und das weitere Schicksal des ehemaligen SED-Chefs und DDR-Staatsratsvorsitzenden mit einer Larmoyanz geschildert, die die Lektüre schwer erträglich macht.

Kein Wort davon, daß Honecker zu den Hauptverantwortlichen gehörte, die in der DDR ein Terror- und Unterdrückungsregime installiert hatten, das seine Bürger rücksichtslos gängelte, bespitzelte und ins Zuchthaus warf, wenn sie sich gegen die Diktatur der Parteibonzen auflehnten und freie Wahlen oder Reisefreiheit forderten. Kein Wort davon, daß an der „Staatsgrenze“ auf Menschen, die in den anderen Teil Deutschlands flüchten wollten, wie auf Hasen geschossen wurde. Statt dessen erfolgt eine merkwürdige Verklärung des kranken Honecker und seiner Ehefrau als „normale, umgängliche und sympathische Menschen“.  Daß das Schicksal von Diktatoren für diese bisweilen unerfreulich endet, man erinnere sich an Ceaucescu, scheint für den Autor ein Novum zu sein. Dazu paßt dann auch die Diffamierung Günter Schabowskis, der immerhin als einziger der SED-Nomenklatura seine Haftstrafe akzeptierte, einen Lernprozeß durchmachte und seine politische Vergangenheit aufarbeitete, als „größter aller Wendehälse“.

Von ähnlicher Qualität sind auch die Beiträge über die 64. Uno-Generalversammlung im September 2009. In voller Länge wird die „Friedensrede“ des iranischen Präsidenten Ahmadineschad abgedruckt, in der zwar von der „Abhaltung sehr eindrucksvoller und völlig freier Wahlen“ in Iran und viel von „Liebe, Spiritualität, Gerechtigkeit und Freiheit“ die Rede ist, aber nichts davon, wie in der Islamischen Republik seit dreißig Jahren mit Regimegegnern umgegangen wird und wie iranische Christen, die entführt, eingesperrt, mißhandelt oder sogar wegen ihres Glaubens getötet werden, unter der Gewalt der Mullah-Diktatur leiden. Als „kriegerische Haßrede“ wird dagegen die Antwort des israelischen Premierministers Netanjahu auf Ahmadineschad gewertet. Nun darf und muß man gewiß auch die israelische Politik kritisch beurteilen, doch objektiver Journalismus sieht anders aus.

Eine Nachlese zu den Bundestagswahlen driftet ebenfalls in seichte Comedy-Gewässer ab. Von einigem Interesse und flott zu lesen ist hingegen der Beitrag „Von Peenemünde bis zum Mond“ über „die Geschichte der V2 als Vorstufe zur Mondrakete Saturn V.

Anschrift: Druffel & Vowinckel Verlag. Landsbergerstr. 57, 82266 Inning. Das Einzelheft kostet 7,80 Euro, das Jahresabo 52 Euro.

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