© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/09 04. Dezember 2009

UMWELT
Eingeatmete Aggression
Michael Howanietz

Mäusenasen und auch die ihrer größeren Verwandtschaft beschäftigen die Wissenschaft (JF 24/09). So ist seit einer Veröffentlichung im US-Magazin Science bekannt, daß Ratten mit einem kurzen Schnüffeln die gesamte sie umgebende Geruchswelt erfassen. Auch riechen sie in Stereo, nehmen Gerüche also von links und rechts getrennt auf. Ebenfalls verifiziert ist die seit der Antike gehegte Vermutung, daß vor allem Höhlenbewohner, zu denen Ratten zählen, bereits Stunden bis Tage vor einem Beben (nach statistischen Auswertungen von Helmut Tributsch von der Freien Universität Berlin ab Stärke 6,5) mit markanten – und für den aufmerksamen Beobachter deutbaren – Verhaltensänderungen reagieren. Sein Verhalten zu ändern, scheint auch dem metropolisierten Menschen anzuraten, sollten sich die im Fachmagazin BMC Physiology publizierten Untersuchungen der Tierforscherin Amal Kinawy als zutreffend erweisen.

Die ägyptische Wissenschaftlerin hat im Tierversuch an Ratten einen Zusammenhang zwischen Autoabgasen und aggressivem Verhalten festgestellt. In drei Vergleichsgruppen atmeten die Tiere saubere Luft bzw. die Abgase von bleihaltigem und bleifreiem Benzin. Die Angriffslust der „Abgasratten“ stieg nach kurzer Zeit sprunghaft an. Zurückzuführen sei dies, so das Studienergebnis, auf Veränderungen im Nervensystem. Die Gehirnzellen der Ratten seien durch freie Radikale beschädigt worden. Der Umstieg auf die Selbstbedienungstankstelle wäre demzufolge eine dem ruhigen Stadtalltag abträgliche Initiative gewesen, sind Selbsttanker doch hohen Konzentrationen von Benzinabgasen ausgesetzt. Ist dies möglicherweise eine weitere Erklärung für den galoppierenden Gewaltanstieg in unseren Städten?

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