© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/09 04. Dezember 2009

Auf der Suche nach neuen Geldquellen
Straßenfinanzierung: Das Für und Wider einer deutschen Pkw-Maut / Niederländische Pläne als Vorbild?
Klaus Peter Krause

Ich weiß, daß es in Bayern eine überwältigende Mehrheit für die Einführung einer Pkw-Maut gibt“, erklärte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer Anfang November in der Passauer Neuen Presse. „Wir wollen, daß das Straßennetz stärker durch die Nutzer finanziert wird. Die Lkw-Maut war ein Anfang“, so der CSU-Politiker weiter. Das Dementi der Bundesregierung ließ aber nicht lange auf sich warten: Das Thema stehe nicht auf der Tagesordnung.

Damit schien die Diskussion beendet, doch vorige Woche legte der Stern nach und nannte das mit zweijähriger Verspätung gestartete deutsche Maut-System eine „Art Lizenz zum Gelddrucken“. Der von der rot-grünen Bundesregierung 2002 mit dem Toll-Collect-Konsortium geschlossene Vertrag sei nicht ohne Grund bislang geheimgehalten worden – er garantiere „eine Umsatzrendite von stolzen 19 Prozent“. Die Betriebskosten seien viel höher als bei der Ausgabe von Vignetten oder der Einziehung der Mineralölsteuer, schrieb der Stern.

Wohl auch aus diesem Grund haben sich unsere Nachbarländer nicht für das deutsche Toll-Collect-System entschieden, das mittels Satellitenortung und etwa 300 Kontrollbrücken über den deutschen Autobahnen die gefahrenen Lkw-Kilometer erfaßt. Die niederländische Regierung hat im November beschlossen, ab 2012 alle Autos für jeden gefahrenen Kilometer auf dem gesamten Straßennetz des Landes mit einer Abgabe zu belasten. Die Daten sollen per Funk und mit einem Ortungsgerät in jedem Auto erfaßt werden. Die technische Lösung soll einfacher sein als bei Toll Collect. Aber ist sie auch überzeugend? Im Fall der Niederlande sieht es danach aus: Die Maut soll die gegenwärtige Autosteuer und die sehr hohe Kaufsteuer auf Neuwagen ersetzen.

Dank dieser Umstellung auf ein Kilometergeld, so verspricht die Regierung, könnten 59 Prozent der niederländischen Autofahrer mit einer Entlastung rechnen. Also ergäbe sich für die anderen 41 Prozent eine zusätzliche Belastung. Die Entlasteten sind offenbar die Wenig-Fahrer, die Belasteten die Viel-Fahrer. Auch das entspricht dem Verursacherprinzip und ist daher schlüssig. Dann muß der Staat die Mauthöhe nur noch so festsetzen, daß die Mauteinnahmen seine Straßenkosten decken. Steigen diese Kosten, setzt er das Kilometergeld herauf, sinken sie, setzt er es herab. Eine ideale Lösung, so scheint es.

Aber läßt sich das Verursacherprinzip nicht auch weniger aufwendig verwirklichen? Also ohne neues Ortungsgerät für jedes Auto sowie ohne die dann nötige Technik zum Erfassen der gefahrenen Kilometer und zur individuellen Abrechnung für jedes einzelne Auto?

Es läßt sich durchaus, nämlich über die bewährte Kombination von Kfz- und Energiesteuer (bis 2006 Mineralölsteuer) wie in Deutschland. Dieses Verfahren vermeidet den zusätzlichen technischen Aufwand und zugleich die Kosten für -zig Millionen Einzelrechnungen, denn für die Straßennutzung bezahlt der Autofahrer mit der Treibstoffsteuer bei jedem Spritkauf. Wer viel fährt, braucht viel Kraftstoff und muß entsprechend hohe Straßennutzungskosten bezahlen.

Diese Steuer an den Fiskus abzuführen, ist allein Sache der relativ wenigen Kraftstoff- und Tankstellenunternehmen. Entsprechend gering fallen die Erhebungskosten aus. Beim niederländischen Vorhaben muß jeder Autobesitzer die Maut nicht nur tragen, sondern auch selbst abführen. Der Aufwand hierfür dürfte deutlich kostspieliger sein. Zusatzaufwand entsteht dadurch, daß Den Haag für ausländische Autos ein anderes Bezahlsystem einrichten will.

Einen Vorteil allerdings hat die niederländische Maut: Mit dem Orten eines jeden Autos – nicht nur wann, sondern auch, wo es fährt – kann der Staat besonders häufig befahrene Strecken, die daher schneller abnutzen, mit einer entsprechend höheren Maut belasten. Das ist durchaus sinnvoll. Aber kann dieser doch nur geringe Vorteil die höheren Kosten für Ortung und Abrechnung sowie die lückenlose staatliche Überwachung sämtlicher Bewegungen eines jeden Autos und damit die seines Fahrers wirklich rechtfertigen? Wohl nicht.

In Deutschland gibt es bisher nur die Lkw-Maut. Neben Ramsauer und anderen CSU-Politikern hat sich auch der designierte Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Stefan Mappus (CDU), für eine Pkw-Maut ausgesprochen. Und die FDP ist in den Koalitionsverhandlungen ebenfalls dafür eingetreten – sie stieß dabei aber auf den Widerstand der CDU. Sollte die Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen (für eine flächendeckende Erfassung ist das Toll-Collect-System bislang nicht ausgelegt) doch eingeführt werden, dann darf sie nicht zu einer Zusatzbelastung führen, denn über Kfz- und Energiebesteuerung wird die Autobahnnutzung schon jetzt überreichlich finanziert.

Politischer Ausgabendrang und fiskalische Raffgier

Daher müßten diese Steuern entsprechend gesenkt werden. Dann allerdings würden auch jene Autofahrer entlastet, die die Autobahnen selten benutzen. Um den Steuerausfall bei diesen Wenig-Nutzern fiskalisch auszugleichen, müßte die Maut für die Viel-Nutzer höher festgesetzt werden, als diese an Abnutzungskosten tatsächlich verursachen. Das aber widerspräche dem Verursacherprinzip.

Insgesamt wäre es also sinnvoller, bei der bisherigen deutschen Regelung zu bleiben. Über die Spritbesteuerung werden die Autofahrer schon jetzt mehr als ausreichend an den Kosten für Straßenbau, Straßenunterhaltung und Verkehrsregelung pauschal beteiligt. Einen Großteil der Einnahmen verwendet der Staat zudem für ganz andere Zwecke. Völlige Nutzungs- und Kostenbeteiligungsgerechtigkeit für das gesamte Straßennetz herzustellen (wie es die Niederlande anstreben), ist nur mit einem erhöhten – und wohl unverhältnismäßigen – Kostenaufwand zu haben.

Außerdem besteht bei einer Maut­einführung die Gefahr, daß eine Spritsteuersenkung als Ausgleich zwar versprochen, aber nicht gleichzeitig mit der Maut eingeführt und so lange hinausgeschoben wird, bis die Gewöhnung zum absichtsvollen Vergessen führt. Schon bei der Lkw-Maut hat die Regierung ihre Versprechen nicht eingehalten. Politischer Ausgabendrang und fiskalische Raffgier entwickeln eine schier unanständige Durchsetzungskraft.

Begründet wird die Pkw-Maut gern damit, daß sich mit ihr auch die ausländischen Autos an den nationalen Straßenkosten beteiligen müssen. Für zu viele sei Deutschland nur Transitland. Sie füllten ihre Tanks zuhause, wenn dort die Steuerbelastung niedriger und damit der Treibstoff billiger ist. Das stimmt zwar, aber dies findet deswegen statt, weil die deutsche Steuerbelastung als zu hoch empfunden wird. Diesem Wettbewerb muß sich Deutschland stellen – also entweder seine Steuerbelastung an die der Nachbarländer anpassen oder den Wettbewerb ohne Senkung hinnehmen. Ein solcher Steuerwettbewerb unter Staaten ist notwendig, um die fiskalische Unersättlichkeit der jeweiligen Regierungen zu zähmen. Daher ist ein Staat mit hoher Steuerbelastung immer versucht, sich diesem Wettbewerb zu entziehen und die anderen dafür zu gewinnen, bei der höheren Belastung mitzumachen. Schönfärberisch wird das „Steuerharmonisierung“ genannt – tatsächlich ist es aber das Ausschalten von Steuerwettbewerb. Deshalb muß dieser Wettbewerb erhalten bleiben.

Foto: Maut-Schild auf der A 8 aus Luxemburg: Kfz- und Spritbesteuerung deckt die Verkehrskosten

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