© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/09 27. November 2009

Biopiraterie bekämpfen, Heimat schützen
UN-Abkommen: Im Kampf um die biologische Vielfalt und deren Nutzung gibt es widersprüchliche Tendenzen
Volker Kempf

Der Begriff Biopiraterie wurde ursprünglich von Globalisierungskritikern geprägt. Durch die Wortwahl soll Kritik an Privatisierungsprozessen von Leben geübt werden. Unter Rückgriff auf das Recht auf geistiges Eigentum können bestimmte Zusammensetzungen oder Genmerkmale von Biomaterial nur noch von den jeweiligen Patentinhabern frei genutzt werden. Wer nicht dafür zahlen will oder kann, bleibt außen vor.

So melden vor allem europäische, japanische oder US-amerikanische Unternehmen Patente auf weiterentwickelte Wirkeigenschaften und Extraktionsverfahren von natürlichen Heilpflanzen an. Naturvölker, die diese Stoffe seit Jahrhunderten in ähnlicher Weise nutzen, gehen dabei häufig leer aus. Entwicklungsländern wird die Vermarktung ihrer Naturmittel unter Verweis auf den Patentschutz untersagt. Die Biopiraterie wird daher oft als Neokolonialismus kritisiert.

Wirtschaftliche Gewinne aus biologischen Ressourcen

Wer nimmt, soll auch etwas geben – darum ging es Mitte November bei einer internationalen Konferenz im kanadischen Montréal. Fast 500 Delegierte aus 194 Vertragsstaaten des UN-Abkommens zum Schutz der biologischen Vielfalt (Convention on Biological Diversity/CBD) einigten sich dort nach zähen Verhandlungen endlich auf einen gemeinsamen Text.

Ein Durchbruch für ein internationales Abkommen gegen Biopiraterie sei damit gelungen: „Es kann nicht sein, daß die Industriestaaten nach dem Raubbau an der eigenen Natur genetische Ressourcen der Entwicklungsländer für die Produktion etwa von Medikamenten nutzen, ohne diese Länder an den daraus entstehenden Gewinnen fair zu beteiligen“, erklärte Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes (UBA). Dieser Entwurf zum Abkommen über den Zugang zu genetischen Ressourcen und gerechten Vorteilsausgleich (Agreement on Access and Benefit Sharing/ABS) soll auf der 10. CBD-Vertragsstaatenkonferenz 2010 in Nagoya (Japan) in eine völkerrechtlich verbindliche Regelung münden.

Das ABS-Abkommen soll künftig einen Interessenausgleich gewährleisten: „Wenn wir reichen Industriestaaten von den Entwicklungsländern erwarten, daß sie ihre Natur schützen, dann müssen wir auch verbindliche Wege festschreiben, wie sie an den wirtschaftlichen Gewinnen angemessen beteiligt werden, die aus den biologischen Ressourcen erwachsen“, so Flasbarth, der bis 2010 auch Vorsitzender des CBD-Präsidiums ist.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte während der Bonner UN-Naturschutzkonferenz 2008 ihre Unterstützung für internationale Regeln gegen Biopiraterie zugesichert. Seither haben sich auch Länder wie Australien, Japan oder Kanada bewegt. Die USA haben die CBD-Konvention zwar unterschrieben, aber bislang nicht ratifiziert. Washington konnte daher in Montréal mitreden – die USA sind aber nicht zur Umsetzung der CBD verpflichtet.

Trotz der internationalen Vorreiterrolle beklagen Umweltverbände den Verlust der Artenvielfalt in Deutschland. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der Naturschutzbund (Nabu) kritisieren daher speziell den schwarz-gelben Koalitionsvertrag. Das bisherige Ziel, bis 2010 den Verlust der Artenvielfalt weltweit zu stoppen, werde verfehlt.

In Deutschland fehle ein Maßnahmenkatalog zur Rettung bedrohter Biotope und Arten sowie entsprechende Finanzierungskonzepte. „Wir fordern Union und FDP auf, ein mit ausreichend finanziellen Mitteln ausgestattetes ‘Bundesprogramm biologische Vielfalt’ in ihr Regierungsprogramm aufzunehmen“, erklärte Nabu-Präsident Olaf Tschimpke. Die Koalition dürfe sich nicht aus ihrer Verantwortung stehlen.

Die Unionsparteien hätten in ihren Wahlprogrammen die Umwelt besser schützende Agrarreformen sowie den Natur- und Gewässerschutz als zentrale Ziele bezeichnet, erinnerte BUND-Chef Hubert Weiger. Davon finde sich im Koalitionsvertrages viel zuwenig wieder. „Wenn wir Forderungen nach Öffnung für die Grüne Gentechnik, nach verstärkten Futtermittelimporten, nach Weltmarktorientierung sehen, sind diese letztlich ein Programm für die Industrialisierung unseres ländlichen Raumes und damit unserer Heimat, die derzeit noch oft von bäuerlichen mittelständischen Betrieben geprägt ist“, so Weiger.

Der BUND sehe in einer solchen Ausrichtung eine Abkehr vom Wahlprogramm der Union, in dem sie sich für die Stärkung des ländlichen Raumes eingesetzt hatte. Zentrales Element einer arten- und tiergerechten Landwirtschaftspolitik müsse die Förderung jener Betriebe sein, die besondere Beiträge zum Erhalt der Kulturlandschaft leisteten. Rückschritte befürchten die Umweltorganisationen auch beim Schutz naturnaher Flüsse. Keine Antworten habe Schwarz-Gelb auf den nach wie vor exorbitanten Flächenverbrauch in Deutschland. Die Versiegelung von täglich mehr als hundert Hektar Fläche durch Straßen, Siedlungen und Gewerbegebiete müsse gestoppt werden – das sieht das UBA übrigens genauso.

Ein Vertragswerk zur Bekämpfung der internationalen Biopiraterie ist überfällig. Doch darüber sollten keinesfalls die Hausaufgaben zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Deutschland vergessen werden – auch wenn dies anderen kurzfristigen Interessen im Wege steht.         

Die Informationsplattform des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) zum Abkommen über die biologische Vielfalt (CBD): www.biodiv-chm.de

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