© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/09 20. November 2009

Deutscher Außenposten vor den Toren Belgrads
Eine Ausstellung über das Leben und Schicksal der Donauschwaben in Neusatz (Serbien) und jetzt in Ulm
Richard Hausner

Jedes Dorf hatte ein Massengrab. Zwischen Oktober 1944 und März 1948 sind etwa 50.000 Donauschwaben in der Vojvodina umgekommen“, heißt es in der Sonderausstellung „Daheim an der Donau – Zusammenleben von Deutschen und Serben in der Vojvodina“, die noch bis zum 10. Januar im Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm zu sehen ist. Das Besondere an dieser Ausstellung ist, daß sie einer Kooperation zwischen dem Ulmer Museum und dem Museum der Vojvodina in Neusatz (Novi Sad) entspringt.

Von Mai bis August wurde diese Ausstellung daher schon in der Hauptstadt der Autonomen Provinz gezeigt. Erstmals wurde dadurch eine breite Öffentlichkeit in Serbien über die von den Tito-Partisanen an den Deutschen verübten Verbrechen in Kenntnis gesetzt. Allein einen Tag nach der Eröffnung – übrigens durch Heribert Rech, den CDU-Innenminister des Landes Baden-Württemberg, der selbst donauschwäbische Wurzeln hat – erfreute sich die Ausstellung in der „Langen Nacht der Museen“ eines Ansturms von 10.000 Besuchern. Wiederum einen Tag später folgte eine Podiumsdiskussion im Vojvodina-Museum, die von dem Schriftsteller Nenad Stefanovic moderiert wurde. Stefanovic gebührt das Verdienst, 1996 als damals 38jähriger mit seinem in Belgrad in serbischer Sprache herausgegebenen Buch „Ein Volk an der Donau – Gespräche und Kommentare“ ein jahrzehntelanges Tabu in Jugoslawien gebrochen zu haben, indem er zwölf Donauschwaben über ihre Zeit in den Lagern zu Wort kommen ließ.

Teilnehmer der Diskussion waren Hans Supritz als Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Donauschwaben (aus Jugoslawien), Stefan Barth als Angehöriger der Erlebnisgeneration und Zoran Janjetovic, Historiker am Institut für Neuere Zeitgeschichte in Belgrad. Letzterer schreibt in einem im Ausstellungskatalog enthaltenen Aufsatz: „Jener Teil der deutschen Bevölkerung, der nach dem Einmarsch der Roten Armee und der Partisaneneinheiten in der Voj­vodina blieb, war in den ersten Wochen Massenerschießungen, Verhaftungen, Plünderung, Vergewaltigungen und dem Drängen zur Zwangsarbeit ausgeliefert.“

Und dennoch bleibt ein fader Beigeschmack, wenn man sich die Ausstellung, die unter anderem von der Europäischen Kommission, dem Auswärtigen Amt in Berlin, der Landesstiftung Baden-Württemberg und dem Kultusministerium der Autonomen Provinz Vojvodina finanziell unterstützt wurde, näher ansieht. Wie es im Vorwort des Katalogs heißt, „mußten sich die Historiker und Museumsexperten auf eine gemeinsame Basis der Geschichtsbetrachtung und Geschichtsdarstellung einigen“. Es folgt das Eingeständnis: „Die eine oder andere Unzulänglichkeit war letztlich nicht vermeidbar.“

Dieses Eingeständnis ist vor allem auf das Kapitel „Das Verschwinden der Donauschwaben“ zu beziehen. Hier wird offenkundig die Schuld der kommunistischen Tito-Regierung relativiert, wenn die Verbrechen an den Deutschen „eine direkte Folge des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Besatzung Jugoslawiens“ genannt werden. In diese Richtung zielt auch der Hinweis, die Versorgungslage sei damals im ganzen Land „völlig unzureichend“ gewesen. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Donauschwaben im Oktober 1944, also am Beginn ihrer kollektiven Internierung, die Ernte bereits eingefahren hatten. Es hätte nur ein Bruchteil der vollen Speicher für die deutsche Minderheit verwendet werden müssen, um ein Massensterben zu verhindern.

Eine Geschichtsklitterung ist die Behauptung, Jugoslawien habe mehrmals versucht, bei den Alliierten „eine Erlaubnis zur Vertreibung zu erreichen“. Der Antrag zur Potsdamer Konferenz „kam zu spät“ und sei dann abgelehnt worden. In Wahrheit stammte der erste diplomatische Vorstoß, der unbeantwortet blieb, vom 19. Januar 1946 – über fünf Monate nach Beendigung der Potsdamer Konferenz.

Der diplomatischen Initiative war übrigens ein furchtbarer Hungerwinter mit Tausenden von Toten vorausgegangen. Mehr als zwei Drittel der Toten waren schon vor jener Anfrage zu beklagen. Immerhin ist von einer „gezielten ethnischen Säuberung durch die jugoslawischen Kommunisten“ zu lesen, der Tatbestand des Völkermordes wird allerdings bestritten.

Dagegen kommt das von der Donauschwäbischen Kulturstiftung herausgegebene Rechtsgutachten des Völkerrechtlers Dieter Blumenwitz (gestorben 2004) zu dem Schluß, daß die Verbrechen an den Donauschwaben „im Sinne der Völkermordkonvention der Vereinten Nationen vom 9. Dezember 1948 den objektiven und subjektiven Tatbestand des Völkermordes“ ergeben. Ein Hinweis auf dieses Gutachten fehlt bedauerlicherweise.

Fazit: Die Ausstellung – in neun Abteilungen mit vielen Exponaten, Bildern und zweisprachigen Erklärungen gegliedert – ist ein Schritt in die richtige Richtung. Erstmals wurde das Leid der deutschen Minderheit in der Vojvodina vor Ort ausführlich thematisiert. Für die Donauschwaben selbst ist diese Ausstellung allerdings unbefriedigend. An zu vielen Stellen wird eher vernebelt als aufgeklärt. Vor der geplanten Präsentation in der Landesvertretung von Baden-Württemberg in Brüssel erschiene eine Überarbeitung geboten.

Der Katalog zur Sonderausstellung „Daheim an der Donau“ (232 Seiten, 19,80 Euro) enthält neben sämtlichen Ausstellungstafeln 15 Aufsätze. Zu beziehen über das Donauschwäbische Zentralmuseum Ulm, Schillerstraße 1, 89077 Ulm, E-Post: info@dzm-museum.de

„Ein Volk an der Donau“ von Stefanovic und das Rechtsgutachten von Prof. Blumenwitz sind für jeweils fünf Euro zuzüglich Versandkosten über die Donauschwäbische Kulturstiftung (Postfach 83 02 06, 81702 München, E-Post: kulturstiftung@donauschwaben.net ) erhältlich.

Foto: Donauschwäbinnen in Werbass (Batschka) präsentieren 1935 zum 150. Jahrestag der Ansiedlung ihre Trachten: Zwischen Oktober 1944 und 1948 wurden etwa 50.000 Donauschwaben getötet

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