© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/09 20. November 2009

Frisch gepresst

Baltikum. Kaum eine Region Europas hat die Wirtschaftskrise 2009 derart gepackt wie Estland, Lettland und Litauen. Die hervorragenden Bilder des Fotografen Peter Ernszt, die er zwischen Finnischem Meerbusen und Memel eingefangen hat, lassen diese gesellschaftlichen Probleme im Baltikum erfreulicherweise nicht erahnen. Die Schönheit der dünn besiedelten eiszeitlichen Moränenlandschaft mit ihren Wäldern, Seen und Mooren, die aus unserer Sicht fast urwüchsig erscheinen mag, lädt ebenso zur Entdeckung ein wie die Porträts der dominierenden Städte Reval (Tallinn), Riga oder Wilna. Dem Anspruch, die Leser seines Bildbandes zu „Wissenden“ zu machen, kann Ernszt in seinen Erklärungen jedoch kaum genügen. So zeugen die historischen Exkurse ebenso wie der Gebrauch von Orts- und Regionennamen von seiner diesbezüglichen Unbelecktheit. Doch gerade die Geschichte wäre zur Erfassung dieser europäischen Kulturlandschaft unentbehrlich. Wer die Güter- wie auch die städtische Architektur ohne einen überzeugenden Verweis auf die deutschbaltischen Landstände, die Hanse oder das deutsche Stadtbürgertum erklären will – die entgegen seiner Darstellung nicht mit dem Ritterorden im 16. Jahrhundert endeten, sondern bis 1918 tonangebend waren –, kann auch die Brückenfunktion dieses Landstrichs zu Mitteleuropa nicht begreifen. Ebenso erschließt Ernszt nicht den russischen Einfluß, der mit Zar und Stalinismus brachial befördert wurde und auch heute noch allgegenwärtige gesellschaftliche Bruchkanten offenbart (Baltikum. Estland–Lettland–Litauen. Edition Rasch & Röhring, Steinfurt 2009, gebunden, 127 Seiten, Abbildungen, 28,50 Euro).  

 

Hermann. Das Jubiläumsjahr der „Schlacht im Teutoburger Wald“, die 9 n. Chr. tatsächlich wohl am nördlichen Rand des Wiehengebirges stattfand, neigt sich dem Ende zu. Grund genug für den Wirtschaftsrechtler Menno Aden, in einer Sondernummer der Eckartschrift die Auswirkungen und die Rezeption dieser epochalen Niederlage des Römischen Reiches im rechtsrheinischen Germanien zusammenzufassen, die sonderbarerweise im heutigen Deutschland nach dem Verlierer „Varusschlacht“ genannt wird. Aden sieht in dem Rückzug Roms eine für die nachfolgende Geschichte entscheidende Zäsur, die gemäß dem Schmetterlingseffekt neben der ausgebliebenen Latinisierung Germaniens viele andere geschichtsmächtige Strukturen einleitete. Aden kann der Versuchung dann auch nicht widerstehen, der bei Historikern eher verpönten Frage nachzugehen, wie die Welt insbesondere in Europa heute aussähe, „wenn Varus gesiegt hätte?“ (Die Schlacht im Teutoburger Wald vor 2000 Jahren. Wendepunkt für Europa und die Welt. Eckartschrift 196. Österreichische Landsmannschaft, Wien 2009, broschiert, 36 Seiten, Abbildungen, 3,50 Euro).

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