© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/09 20. November 2009

Hannelore Kraft: Die neue Partei-Vize ist die Hoffnung der SPD für die nächsten Wahlen
Die rote Kraft
Josef Hämmerling

Pragmatismus statt Parteiflügeldenken – das ist das Motto Hannelore Krafts, seit dem SPD-Parteitag am letzten Wochenende eine von vier Stellvertretern des neuen Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel. Die 48jährige Mülheimerin hat eine Blitzkarriere gemacht. Erst 1994, mit 33 Jahren, in die SPD eingetreten, schaffte die gelernte Bankkauffrau und Diplom-Ökonomin im Jahr 2000 den Sprung in den Landtag Nordrhein-Westfalens. Nur ein Jahr später machte sie Landesvater Wolfgang Clement sogar zur Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten. Nachdem Kraft 2002 das Ressort Wirtschaft und Forschung übernommen hatte, wurde sie dank des Regierungswechsels 2005 Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion und im Januar 2007 SPD-Landesvorsitzende im bevölkerungsreichsten Bundesland. Im selben Jahr stieg sie außerdem ins Bundespräsidium auf.

Ihr nächstes Ziel ist, am 9. Mai 2010 den Sessel von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) für ihre Partei zurückzuerobern. Dafür ist Kraft sogar zu einer Koalition mit der Linkspartei bereit, die sie zwar „derzeit“ in NRW für nicht regierungsfähig hält. Allerdings meint sie auch ironisch: „Ich bin gegen jede Ausschließeritis.“ Reiche es nach den Landtagswahlen nicht zu einer rot-grünen Landesregierung, komme es bei möglichen Koalitionen lediglich auf zweierlei an: Inhaltliche Übereinstimmung und ob man vertrauensvoll zusammenarbeiten könne.

Die Ausgangslage für einen Wahlerfolg bewertet Kraft seit Amtsantritt der Koalition in Berlin als günstiger, da der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag „eine Wählertäuschung mit Ansage“ sei und den „Virus des Sozialabbaus und der Entsolidarisierung eingepflanzt“ habe. Für die Zeit nach der Wahl planten, so Kraft, CDU und FDP eine „Epidemie mit Sozialkürzungen und finanziellen Belastungen“. Dagegen stehe sie für den „Erhalt solidarischer Versicherungssysteme“.

Allerdings hat die Sozialdemokratin mit Glaubwürdigkeitsproblemen zu kämpfen. In den Angaben „Zur Person“ ihrer Netzseite (www.hannelore-kraft.de) führt sie für die Jahre 1989 bis 2001 lediglich auf: „Unternehmensberaterin und Projektleiterin“. Bis 2006, so wird ihr vorgeworfen, war dort für diesen Zeitraum allerdings zu lesen: „Unternehmensberaterin und Projektleiterin beim Zentrum für Innovation und Technik NRW (Zenit GmbH) in Mülheim an der Ruhr“. 2007 wurde jedoch bekannt, daß unter der alten rot-grünen Landesregierung Fördermittel verschleudert worden waren. Politiker der damaligen Opposition hatten dabei auch die Rolle Krafts als Wissenschaftsministerin kritisch hinterfragt. Die bestreitet allerdings jeden Zusammenhang und meinte zu den Vorwürfen von heute, sie habe bei den Angaben zur Person die Tätigkeit bei Zenit lediglich aus Platzgründen nicht weiter ausgeführt. Für CDU und FDP im Land ist diese Auseinandersetzung, die nun auch vor Gericht weitergeführt werden soll, im beginnenden Wahlkampf natürlich ein gefundenes Fressen.

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