© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/09 13. November 2009

DVD: Im Kreuzfeuer
Tabuthema
Werner Olles

Hollywood-Regisseur Edward Dmytrick („ Die Caine war ihr Schicksal“, „Die 27. Etage“) wagte sich 1947 an ein damals völlig neues Genre, den semi-dokumentarischen Kriminalfilm und verfilmte den Roman „The Brick Foxhole“ von Richard Brooks („Die Saat der Gewalt“), in dem es um Ressentiments gegen Homosexuelle ging. Für Hollywood war das damals noch ein Tabuthema, und so machte man in „Crossfire“ („Im Kreuzfeuer“) aus einem Schwulen kurzerhand einen Juden.

Der Inhalt: Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wird in einer Garnison der US-Armee ein jüdischer Soldat zu Tode geprügelt. Unter Verdacht gerät zunächst der Soldat Mitchell (George Cooper), doch Sergeant Keeley (Robert Mitchum) kann Inspektor Finlay (Robert Young) überreden, die Ermittlung noch einmal aufzunehmen. Der Detektiv erkennt schließlich das wahre Tatmotiv: Antisemitismus in einer sehr paranoiden Form. Bald kann er den wirklichen Mörder überführen.

Dmytricks schonungslose Anprangerung des auch in den USA vorkommenden Judenhasses wirkte derart provozierend, daß der Regisseur vom Komitee für unamerikanische Umtriebe vorgeladen und auf die berüchtigte „schwarze Liste“ gesetzt wurde. Ähnlich wie Elia Kazan fiel auch Dmytrick danach eine Zeitlang in Ungnade und wurde von den Produktionsfirmen gemieden. Dies änderte sich erst, als sich beide zu einer gewissen Zusammenarbeit mit dem Komitee bereiterklärten, was in der Praxis bedeutete, daß sie andere Regisseure oder Schauspieler denunzieren mußten.

Dennoch ist „Crossfire“ in seiner Gestaltung ein herausragend inszenierter und bravourös gespielter Kriminalfilm, der über weite Strecken an die besten Werke der Schwarzen Serie erinnert, so sehr er sich in seinen Intentionen auch von ihnen unterscheidet. Wie es Dmytrick gelingt, aus dem Kontext der Nachkriegssituation in psychoanalytischer Weise Schrecken, Bedrohung und Wahnsinn herauszuarbeiten und dies auch noch in eine hochspannende Thrillerhandlung einzubetten, ist grandios. Die Weltkriegssieger, die in Europa den Antisemitismus bekämpften, müssen erkennen, daß sich dieser längst bei ihnen zu Hause etabliert hat. Zudem entpuppen sie sich als traurige Figuren, die im Zivilleben nicht zurechtkommen, weil ihnen der Feind abhanden gekommen ist. Dabei entwirft Dmytrick keine mythisch überhöhten Figuren, sondern bleibt soweit als möglich in der Realität, in der eben auch sehr unscheinbare Menschen im Konflikt mit kulturellen und sozialen Widersprüchen zugrunde gehen können.

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