© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/09 06. November 2009

Mobbing in Frankfurt
Geldpolitik: Die Rache des Bundesbank-Präsidenten an Thilo Sarrazin beschädigte eine deutsche Institution
Wolfgang Philipp

Im Oktober ereignete sich ein bis dahin undenkbarer Vorfall: Bundesbank-Präsident Axel Weber forderte sein Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin (SPD) indirekt zum Rücktritt auf. Als dies erfolglos blieb, entzog der Vorstand der Bundesbank Sarrazin am 13. Oktober die Zuständigkeit für den Bereich Bargeld. Seither ist er lediglich für das Risiko-Controlling und das Ressort Informationstechnologie zuständig. Doch Sarrazin hatte im Bargeld-Ressort keine Fehler begangen, sondern lediglich der deutschen Ausgabe des europäischen Kulturmagazins Lettre International – nach Rücksprache mit der Presseabteilung – ein vielbeachtetes Interview (JF 43/09) gegeben.

Bis zu diesen Ereignissen war die Deutsche Bundesbank in Frankfurt am Main die angesehenste Institution der Bundesrepublik. Von sachkundigen Präsidenten und Vorstandsmitgliedern geleitet, wurde sie in ganz Europa bewundert. Ihre Verteidigung der D-Mark gegen Geldentwertung war eine der Grundlagen des „deutschen Wirtschaftswunders“ und entsprach dem Gesetz über die Bundesbank. Dieses hebt in Paragraph 3 die Gewährleistung der Preisstabilität als besonders wichtige Zielsetzung hervor.

Ein weiteres Markenzeichen ist die Unabhängigkeit der Bundesbank. Ihr einziges Organ ist der Vorstand. Er wird vom Bundespräsidenten bestellt und hat keinen Aufsichtsrat über sich. Das Organisationsstatut, das die Zuständigkeit innerhalb des Vorstands festlegt, wird vom Vorstand selbst beschlossen. Der Präsident ist nicht Vorgesetzter seiner Vorstandskollegen, seine Stimme gibt aber bei Stimmengleichheit den Ausschlag. Bei der Verteilung der Zuständigkeit innerhalb des Vorstands kann nicht gegen den Präsidenten entschieden werden. Die Vorstandsmitglieder stehen in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis.

Vor diesem Hintergrund ist zu betrachten, was den „Fall Sarrazin“ ausgelöst hat: Der frühere Berliner Finanzsenator hatte sich mit Problemen auseinandergesetzt, die der deutschen Hauptstadt durch die unkontrollierte und massenhafte Zuwanderung nicht integrationswilliger Ausländer aus der Türkei und dem arabischen Raum entstanden sind. Dabei benutzte er auch einige ironische Formulierungen. Ironie ist ein erlaubtes Stilmittel der Sprache, um eine Sache auf den Punkt zu bringen.

Als ehemaliges Regierungsmitglied von Berlin wußte er, wovon er sprach. Besonders hob Sarrazin hervor, ein großer Teil dieser Zuwanderer lebe von Hartz IV und anderen Transfereinkommen. Er forderte deshalb, Leistungen an solche Ausländer einzuschränken, die nur das deutsche Sozialsystem ausnutzen wollen. Er kritisiert diese also gerade auch, weil sie den deutschen Staat viel Geld kosten. Alljährlich werden für sie viele Milliarden Euro aus den verschiedensten „Haushaltstöpfen“ ausgegeben – angefangen vom Stichwort „Asyl“, über „Duldung“, „Integration“ bis hin zu „Zuwanderung/Familiennachzug“.

Obwohl Sarrazin auch andere Gesichtspunkte angesprochen hat, steht die durch die türkisch-arabische Zuwanderung entstandene Haushaltsbelastung des Bundes, der Länder und der Gemeinden für ihn im Vordergrund. Gleichwohl wurde ihm von seinem Präsidenten Weber vorgeworfen, er habe das Ansehen der Bundesbank geschädigt. Schließlich wurde Sarrazin eines seiner drei Ressorts weggenommen. Daß er dem Bargeld-Ressort fachlich nicht gewachsen sei, wurde nicht behauptet. Es hat sich also nicht um eine an sachlichen Gesichtspunkten orientierte Änderung des Organisationsstatuts, sondern um einen primitiven Racheakt gehandelt.

Ein solcher Vorgang ist in der Geschichte der Deutschen Bundesbank ohne Beispiel. Deren Vorstand hat kraft Amtes ganz besonders die Pflicht, Entscheidungen nur nach sachlichen Gesichtspunkten zu treffen. Solche haben hier aber keine Rolle gespielt. Die Entscheidung ist schon aus diesem Grunde rechtswidrig: Es handelt sich schlicht um Mobbing, das heißt um eine Diskriminierung, welche die berufliche Tätigkeit des Betroffenen nachhaltig beeinträchtigen und ihn schließlich aus dem Hause ekeln soll. Eine solche Handlungsweise wird von der Rechtsprechung im Zivilrecht als rechtswidrig angesehen und führt zu Schadensersatzansprüchen des Gemobbten. Der Eingriff in die Rechte Sarrazins ist zusätzlich auch eine Strafe dafür, daß er von seinem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht hat. Webers Mobbing ist insoweit als von höchster Stelle begangener Verfassungsbruch zu beurteilen.

Die Fehlleistungen gehen aber noch weiter. Da die Bundesbank „Preisstabilität“ zu gewährleisten hat, muß sie sich einmischen, wenn ihr Gefahren für die Preisstabilität bekannt werden. Eine der Hauptursachen für Inflation entsteht, wenn öffentliche Haushalte mit zu hohen Kreditaufnahmen arbeiten und dadurch Geldschöpfung verursachen. Solche Milliardenkredite sind seit Jahrzehnten jährlich der Grund dafür, daß die Staatsverschuldung in Bund, Ländern und Gemeinden steigt und steigt – auf inzwischen 1,6 Billionen Euro. Eine besonders verheerende Rolle spielte dabei das nur in Deutschland zu findende „Grundrecht auf Asyl“.

Grundsätzlich dürfen nach den Haushaltsordnungen Kredite nur zur Finanzierung von Investitionen aufgenommen werden. Laufende Ausgaben – abgesehen von Kassenkrediten – durch Darlehensaufnahme zu finanzieren, ist verboten. Wenn die Bundesbank erkennt, daß durch die Einwanderung in unsere Sozialsysteme die Währung gefährdet wird, hat sie die Pflicht, sich sogar in amtlicher Eigenschaft dazu zu äußern. Wenn Deutschland nicht endlich aufhört, Sozialleistungen zu gewähren, die durch das Steueraufkommen der Bürger gar nicht gedeckt sind, sondern durch Kredite finanziert werden, wird es keine geordneten öffentlichen Finanzen und keine sichere Währung mehr geben. Solche „Zuwandererfreundlichkeit“ zu Lasten der nächsten Generation ist unverantwortlich und unmoralisch.

Die katastrophale Haushaltslage der Gebietskörperschaften ist schon unabhängig von der gegenwärtigen Finanzkrise ganz wesentlich auch auf die massenhafte Zuwanderung arbeitslosengeld- bzw. sozialhilfebedürftiger Ausländer zurückzuführen. Wenn Präsident Weber diese Zusammenhänge nicht erkennen oder verschweigen will, verletzt er seine Amtspflichten – nicht Sarrazin, der die Dinge beim Namen genannt hat. Letzteres ist immer Voraussetzung dafür, daß überhaupt ein Problem gelöst werden kann.

Die Maßregelung Sarrazins war in jeder Hinsicht politisch und rechtlich verfehlt. Sie liegt weit unter jenem Niveau, das man bisher von der Deutschen Bundesbank gewohnt war. Es handelt sich um eine erbärmliche Reaktion, die des Bundesbank-Vorstands unwürdig ist. Da Präsident Weber der Schuldige ist, sollte er sich überlegen das zu tun, was er Herrn Sarrazin nahelegen wollte: zurücktreten. Anders ist das Ansehen der Deutschen Bundesbank in dieser Sache nicht mehr zu retten.

Gerade weil diese Institution seit Einführung des Euro und der Gründung einer Europäischen Zentralbank (EZB) an Bedeutung verloren hat, ist es besonders wichtig, daß sie zumindest furchtlos und offen alle Mißstände zur Sprache bringt, welche unsere Währung gefährden können. Die Stimme der unabhängigen Bundesbank hat ein Gewicht, auf welches dieses Land nicht verzichten kann. Dieser Anforderung hat nur Sarrazin entsprochen: Er hat sich um Deutschland verdient gemacht.

Foto: Bundesbank-Präsident Weber (l.), Vorstand Sarrazin: Maßregelung war politisch und rechtlich verfehlt

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