© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/09 30. Oktober 2009

Die Zahlen sprechen für sich
Folgen der Migration in Deutschland: Ob bei der Geburtenrate oder dem Bildungsgrad, die Feststellungen Thilo Sarrazins treffen ins Schwarze
Hans Christians

Durch die von Bundesbank-Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin aufgestellte These von den integrationsunwilligen Einwanderern ist in den vergangenen Wochen eine Debatte über die Bevölkerungsstruktur und Entwicklung in Deutschland entfacht worden, die noch vor Monaten für undenkbar gehalten wurde. Selbst politisch zweifelsohne „unverdächtige“ Medien wie das Nachrichtenmagazin Stern beschreiben den Zustand der Einwanderer mit Worten wie: „Sie leben unter uns. Und irgendwie doch nicht. Ihre Integration ist tragisch gescheitert.“

Traurige Realität verdrängt Hochglanzbroschüren

Das sind ungewöhnliche Worte in einem Land, welches sich gerne als Musterbeispiel für Toleranz und Zuwandererfreundlichkeit darstellt. Jahrelang wurden Erfolgsgeschichten von Einwanderern, „die es zu etwas gebracht haben“, in Hochglanzbroschüren gefeiert, die traurige Realität dabei ausgeblendet. Den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch fegte der Sturm der öffentlichen Entrüstung im Januar 2008 fast aus dem Amt, nachdem er auf die Zusammenhänge zwischen Einwanderung und Jugendkriminalität hingewiesen hatte.

Dabei waren diese Tatsache widerlegt die Illusion, durch ein Mehr an Einwanderung könne man die demographische Entwicklung umkehren und die drohenden Löcher in den Rentenkassen stopfen. Und wer mag dem ehemaligen Berliner Finanzsenator Sarrazin ernsthaft widersprechen, wenn er von der gescheiterten Integration spricht – schließlich läßt sich belegen, daß in der Bundeshauptstadt 80 Prozent der jugendlichen Intensivtäter ausländischer Herkunft sind.

Die Bevölkerungsentwicklung innerhalb der Bundesrepublik ist eindeutig. 2005 lebten hier rund 67,1 Millionen Menschen ohne Migrationshintergrund, zwei Jahre später waren es nur noch 66,8 Millionen. Der Anteil der Menschen mit entsprechender Einwanderungsgeschichte stieg dagegen von 15 auf derzeit rund 15,4 Millionen.

Die Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer ist in den vergangenen 17 Jahren von 5,6 Millionen auf derzeit 7,3 Millionen gestiegen. Der Zenit ist dabei zumindest vordergründig überschritten worden – lebten doch 1996 rein statistisch gesehen 7,6 Millionen Ausländer in der Bundesrepublik. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß es Mitte der neunziger Jahre einen sprunghaften Anstieg von Einbürgerungen gegeben hat, vor allem im Zeitraum von 1996 bis 1998, als sich jährlich rund 300.000 Personen den deutschen Paß sicherten. Seit den gesetzlichen Änderungen zum Erwerb beziehungsweise zum automatischen Erhalt der deutschen Staatsangehörigkeit im Jahr 2000 ist die Zahl der Einbürgerungen wieder nach unten gegangen, sie liegt mit derzeit rund 113.000 Menschen aber immer noch über dem Vergleichswert von 1990.

Von allen derzeit in Deutschland lebenden Personen mit Migrationshintergrund stellen die größte Gruppe (36 Prozent) die 7,3 Millionen zugewanderten Ausländer (5,6 Prozent der Gesamtbevölkerung). Die zweitgrößte Gruppe bilden die 3,5 Millionen Eingebürgerten (23 Prozent, wobei 20 Prozent persönliche Migrationserfahrung haben und 3 Prozent keine). Weitere knapp 12 Prozent stellen die 1,8 Millionen Spätaussiedler, von denen  allerdings nur diejenigen erfaßt wurden, die nach dem 1. August 1999 eingewandert sind und damit nicht eingebürgert wurden.

Schließlich sind 2,7 Millionen oder 18 Prozent aller Personen dieser Gruppen „Deutsche ohne eigene Migrationserfahrung“, also die zweite und dritte Zuwanderergeneration. Dabei handelt es sich um die hier geborenen 1,2 Millionen Kinder von eingebürgerten oder ausländischen Eltern, die bei Geburt zusätzlich die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten haben (nach dem „ius soli“) sowie die 1,5 Millionen Kinder, bei denen nur ein Elternteil Ausländer, Spätaussiedler oder Eingebürgerter ist. Und gerade dieser Bevölkerungsteil wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen.

In  der Studie „Mikrozensus 2005“ des Statistischen Bundesamtes heißt es zur Bevölkerungsentwicklung wörtlich: „Der Anteil der Ausländer bei den jungen Erwachsenen zwischen 25 und 45 Jahren ist am stärksten, dagegen nimmt bei den jüngeren Altersgruppen (bis 25 Jahre) der Anteil deutscher Kinder mit Migrationsgeschichte stark zu. Hier wird deutlich, daß der Rückgang der Bevölkerung sich ausschließlich bei den Deutschen ohne Einwanderungshintergrund vollzieht.“

Die Konsequenzen aus dieser Entwicklung sind vor allem in den Kindergärten und Grundschulen sichtbar, und sie betrifft nicht – wie bisher oft unterstellt – nur bestimmte Viertel in den Ballungsgebieten und Großstädten. So zeigt beispielsweise eine Studie über die Bevölkerungsstruktur in der niedersächsischen Kleinstadt Peine, daß es auch dort Kindertagesstätten gibt, in denen der Anteil der Einwandererkinder mit 65 Prozent fast eine Zwei-Drittel-Mehrheit darstellt. Doch Peine ist nicht die Ausnahme. Allerorts klagen Aufsichtspersonal und Erziehungskräfte über neue sprachliche Mehrheiten und darüber, daß die Kinder schlecht vorbereitet in das Schulsystem übergeleitet werden.

 Diese Diskrepanz zwischen vorhandenem deutschen Paß und dem Erlernen der deutschen Sprache treibt bisweilen seltsame Blüten. So wird in Berlin die Gustav-Falke-Grundschule erstmals eine Klasse mit „Deutsch-Garantie“ anbieten, in der nur Schüler mit nachgewiesenen „sehr guten“ Deutschkenntnissen aufgenommen werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß sich selbst ehemalige Multikulti-Befüworter wie Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) von diesem Pilotprojekt begeistert zeigten. Offenbar schwant auch ihnen, daß etwas faul ist in der bisher so romantisch verklärten Einwanderungswelt. Oder wie anders ist es zu erklären, daß sich im Internet „Selbsthilfeforen“ für deutsche Eltern gebildet haben, die für ihren Nachwuchs händeringend Kindergärten suchen, „in denen Deutsch gesprochen wird“?

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