© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/09 30. Oktober 2009

Koalitionsvertrag
Eine metapolitische Kampfansage
Dieter Stein

Ein Koalitionsvertrag ist der weitgefaßte Rahmen, in dem eine Regierung ihre künftige Arbeit definiert. Er verfährt, wie es schon meist in Parteiprogrammen Sitte ist: Es ist viel von Wünschbarem, Absichten und Gefühlen die Rede. Alle Beteiligten sollen sich nach Möglichkeit in diesem Anfangspapier wiederfinden. Die Kanzlerin, einmal im Amt bestätigt, hat später die Möglichkeit, hochgeschraubte Erwartungen des Koalitionspartners oder innerparteilicher Prinzipienreiter durch Zeitspiel, Verweis auf akute Sachzwänge und die veränderte Weltlage auszubremsen. Probat ist es auch, über die föderale Bande zu spielen und gegen lästige Beschlüsse Widerstand bei Länderchefs zu organisieren.

Unter den rund 40.000 Wörtern, die der am Wochenende unterzeichnete Koalitionsvertrag zählt, sind manche wohlklingende zu finden. Das Wort „Patriotismus“, an den zu appellieren der Bundesregierung gut anstünde, sucht man ebenso vergeblich wie das „deutsche Volk“, dessen Wohl die Minister in ihrem Amtseid ihre ganze Kraft zu widmen geloben. Dafür ist immerhin an zwei Stellen von nicht näher genannten „Menschen in unserem Land“ und vielfach von den „Bürgerinnen und Bürgern“ die Rede.

Eine Überraschung hält der Koalitionsvertrag doch noch bereit: Eine Kehrtwende will die Regierung bei der Bekämpfung des Extremismus hinlegen. So sollen die von Rot-Grün im Jahr 2000 im Zuge des berüchtigten „Aufstandes der Anständigen“ ins Leben gerufenen Programme gegen Rechtsextremismus in „Extremismusbekämpfungsprogramme“ umgewidmet werden, die nun auch gegen überraschend entdeckte „linksextremistische und islamistische Bestrebungen“ vorgehen sollen. Merkwürdig nur, daß die alten Programme, in aller Regel unter der Konservative diskriminierenden Kurzformel „Kampf gegen Rechts“ firmierend, von der Kanzlerin Merkel in einer Großen Koalition widerstandslos mitgetragen wurden.

Es würde viele kritische Beobachter verblüffen, wenn die schwarz-gelbe Koalition zur antitotalitären Äquidistanz in der Extremismusbekämpfung zurückkehren würde. Der Aufschrei in linken Medien (taz: „Schwarz-Gelb verharmlost Nazigewalt“) und Linkspartei ist bereits jetzt groß, die „Gleichsetzung von links und rechts“ wird als unerhört beklagt. Ein dicht gesponnenes linkes Netzwerk lebt von der staatlichen Subventionierung des „Kampfes gegen Rechts“, in den derzeit pro Jahr 24 Millionen Euro gepumpt werden.

Es ist zweifelhaft, ob die Bundesregierung diesen Sumpf wirklich trockenlegt. Die Helfershelfer der linken Kampagneros stehen zu tief in den eigenen Reihen. Dies zeigt ein aktueller Fall: Die CDU-Vorsitzende von Waiblingen, Susanne Gruber, bekräftigte in einem JF-Interview (JF 43/09), weshalb sie – ganz im Sinne des Koalitionsvertrags – Initiativen nur unterstütze, wenn sie sich nicht nur gegen Rechts-, sondern auch gegen Linksextremismus wendeten. Prompt ist sie Ziel einer linken Kampagne. Schützenhilfe von der Parteiführung? Keine. Bezeichnend.

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