© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/09 23. Oktober 2009

Das Geschäft mit der Abtreibung
Fötale Zellen und Organe: Hohe Nachfrage der Pharma- und Kosmetikindustrie / Ärzte verdienen an Schwangerschaftsabbrüchen
Anni Mursula

Wir haben euch etwas mitgebracht: Haß, Haß, Haß!“ grölten Hunderte aggressive Abtreibungsbefürworter vor kurzem in Berlin. Anlaß waren die rund 1.200 Lebensschützer bei ihrem jährlichen „Marsch für das Leben“ (JF 41/09). Der Haß auf sie entlud sich in vulgären und blasphemischen Gesten. Es wurden Plastik-Dildos an Kreuze genagelt, Holzkreuze in der Spree „versenkt“ und sogar eine Bibel verbrannt. Der Haß richtete sich gegen angeblich „verklemmte“ Christen, die das Töten von Ungeborenen nicht als Menschen- oder Frauenrecht ansehen, sondern das Recht auf Leben über die individuelle Entscheidungsfreiheit stellen.

„Verwertungsketten“ sind keine Seltenheit mehr

Mag sein, daß solche Feindseligkeiten lediglich Ausdruck einer linksradikalen und feministischen Minderheit sind, für die Abtreiben ein Zeichen von Emanzipation ist. Einer Minderheit, die nur durch ihre Radikalität wahrgenommen wird. Was hierzulande jedoch unbekannt ist: Mit dem Töten ungeborenen Lebens läßt sich auch ordentlich Geld verdienen. Das ist das Ergebnis einer mehrjährigen Recherche der Journalistin Alexandra Maria Linder, das nun als Buch vorliegt.

Danach offenbart sich Abtreibung als ein lukratives und ausbaufähiges Milliardengeschäft, das weit über die Einnahmen der Abtreibungskliniken hinausgeht. Linder hat zahlreiche Fakten zusammengetragen, die zum Großteil zwar keine Geheimnisse sind, jedoch im Interesse der Verantwortlichen nie großes Medienecho gefunden haben.

Laut dem Statistischen Bundesamt wurden in Deutschland 2008 etwa 114.484 Kinder abgetrieben. Weltweit werden sogar jedes Jahr über vierzig Millionen Kinder vorgeburtlich getötet. Damit ist Abtreibung nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO die häufigste nicht-natürliche Todesursache.

Zuerst einmal verdienen diejenigen an der Abtreibung, die die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Bei einem Preis von rund 430 Euro pro Abtreibung konnten Ärzte in Deutschland somit allein im vergangenen Jahr eine Summe von beinahe fünfzig Millionen Euro erwirtschaften. Die Kosten hierfür wurden zum Großteil von den Krankenkassen übernommen und somit durch Steuergelder subventioniert.

Deutlich mehr aber profitieren ganz andere Branchen von dem Geschäft mit der Abtreibung. Sie sind nur nicht so offensichtlich zu erkennen. Zum Beispiel Pharmakonzerne, Firmen aus der Kosmetikbranche sowie Transplantations- und Forschungseinrichtungen: Für sie geht es um Milliardengewinne.

Was auf den ersten Blick wie eine Verschwörungstheorie fanatischer Lebensschützer wirkt, wird jedoch auch durch Fachzeitschriften, Forschungsberichte und einige wenige Zeitungsartikel bestätigt. So berichteten beispielsweise die Magazine Focus (24/94) und Spiegel (6/97) schon in den neunziger Jahren über die Nutzung von Zellen abgetriebener Kinder.

Es gibt auch weitere Belege, nur muß man danach intensiver suchen – beispielsweise in Packungsbeilagen und Informationsbroschüren von Pharma- und Kosmetikkonzernen. Auch hier sind Fakten über genutzte Zellinien abgetriebener Kinder zu finden – allerdings verschleiert hinter Begriffen wie „Säugerzellen“ oder kodiert als Zellinien mit Namen wie MRC-5 oder WI-38.

Linder beschreibt in ihrem Buch dagegen unverschlüsselt, wie bei jeder Abtreibung „Material“ gewonnen wird, das gewinnbringend verwertet werden kann. Zwar werden in Deutschland die meisten getöteten Föten mit dem Klinikmüll verbrannt oder anderweitig beseitigt, doch gibt es auch hierzulande offenbar Ausnahmen. In einigen anderen Ländern dagegen haben sich laut Linder bereits professionelle Verwertungsketten gebildet: In einem Klinkraum wird abgetrieben, im nächsten der Fötus ausgenommen. Zellen und Organe werden direkt an die Abnehmer geliefert.

Dies bedeutet nicht, daß Kinder allein mit dem Ziel gezeugt werden, um sie später abzutreiben. Jedoch gibt es Länder, die eine sehr liberale Abtreibungspraxis bei gleichzeitig weitverbreiteter Armut aufweisen, wo vieles oftmals nur eine Frage des Preises ist. Und den bestimmt bekanntlich die Nachfrage.

Und die Nachfrage nach fötalen Zellen und Organen ist enorm: Die Wissenschaft benötigt sie zur Forschung, die Pharmaindustrie zur Herstellung von Impfstoffen und Medikamenten, die Medizin verwendet sie zur Behandlung von Krankheiten wie Parkinson und Alzheimer oder bei Rückenmarksverletzungen, und die Kosmetikbranche nutzt sie vor allem zur Herstellung des Wirkstoffs Kollagen in Anti-Aging-Cremes.

Zwar sind in Deutschland Embryonen durch ein strenges Gesetz geschützt – zumindest solange sie sich wie bei der künstlichen Befruchtung oder in der Stammzellenforschung außerhalb des Mutterleibs befinden. In der Gebärmutter jedoch dürfen sie problemlos getötet werden. Und das unter bestimmten Bedingungen sogar bis zum Einsetzen der Wehen in der vierzigsten Schwangerschaftswoche, was sie um so interessanter für die Forschung macht. Denn je älter die Föten sind, um so nützlicher sind sie zum Beispiel für die Transplantationsmedizin.

Tierschützer-Lobby ist stärker als die der Menschenschützer

Was aber mit Föten nach ihrer Abtreibung geschieht, ist rechtlich deutlich unpräziser. Vor allem ihre weitere Verwertung ist nicht ausdrücklich verboten. Sie wird lediglich durch das Gewebegesetz von 2007 geregelt. Danach darf die Schwangere beispielsweise erst nach der Abtreibung gefragt werden, ob der Fötus zur Gewebe- und Organspende freigegeben wird. Bei steigendem Bedarf an Gewebe und Organen durch die Transplantationsmedizin wächst allerdings auch der Bedarf an abgetriebenen Kindern, was den ohnehin schon geringen Schutz von ungeborenem Leben langfristig noch weiter aufweichen könnte.

Linder weist daher auch auf das wirtschaftliche Wachstumspotential der Transplantationsmedizin hin: In einer immer älter werdenden Gesellschaft investieren Wissenschaft und Pharmakonzerne zunehmend in die Forschung zur Behandlung von Alterskrankheiten. Dabei geht es um Milliarden. Kein Wunder also, daß gerade im Gesundheitssektor der Druck von Lobbyisten auf die Politik und den Gesetzgeber stetig wächst.

Und der Bedarf an Organen und Gewebe ist riesig. Zur Behandlung von Parkinson beispielsweise werden die Gehirnzellen von mindestens sechs abgetriebenen Föten benötigt. Wollte man also jeden Parkinson-Patienten in Deutschland auf diese Weise behandeln, würden die hierzulande vorgenommenen Abtreibungen rein zahlenmäßig gar nicht ausreichen.

Hinzu kommt, daß in der Medikamentenentwicklung, vor allem von Impfstoffen, seit Jahrzehnten mit Zellinien abgetriebener Kinder geforscht und gearbeitet wird. Dabei geht es laut Linder allerdings nicht um eine große Zahl. Vielmehr handelt es sich weltweit hauptsächlich um die Zellinien dreier Kinder, die bereits in den Sechzigern und Siebzigern abgetrieben wurden und die seitdem zur Herstellung von Impfstoffen verwendet werden. Ihre Zellen wurden so vermehrt, daß sie für Forschung und Industrie bis heute ausreichen.

Für Linder geht es dabei jedoch nicht um die vergleichsweise geringe Menge, sondern um die grundsätzliche Frage der ethischen Vertretbarkeit, aus solchen Zellen Medizin herzustellen und damit Geld zu verdienen. Ein weltweit zugelassener kombinierter Impfstoff gegen Masern-Mumps-Röteln beispielsweise, der aus einer dieser Zellinien stammt, bringt über zwanzig Milliarden Euro Umsatz pro Jahr.

Es gibt allerdings auch Alternativen: Für die meisten Krankheiten existieren Impfstoffe, bei deren Herstellung keine aus Abtreibungen stammenden Zellen verwendet wurden. Hier griffen die Medikamentenhersteller auf Zellen von Affennieren, Hühnereiern, Hamster- und Hundegewebe oder Bierhefe zurück, auf denen sich die Viren vermehrten. Doch laut der Pharmaindustrie sind die Zellen abgetriebener Kinder oftmals günstiger und die daraus entwickelten Medikamenten besser verträglich. Zudem gelten sie in der Öffentlichkeit anscheinend als ethisch eher vertretbar. Schließlich wurden für ihre Herstellung keine Tiere gequält. Der Einfluß von Tierschützern scheint stärker als der von Lebensschützern.

Und auch für die Bundesregierung stellt die Diskrepanz zwischen den Rechten von Tieren und denen von ungeborenen Kindern offenbar kein Problem dar: Denn das Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel hat die Recherchen von Alexandra Linder bestätigt. Auf Anfrage der Katholischen Nachrichtenagentur antwortete die dem Bundesgesundheitsministerium unterstehende Einrichtung Ende September, daß zahlreiche Impfstoffe aus Zellinien entwickelt werden, die auf das Gewebe von abgetriebenen Föten zurückgehen.

 

Alexandra Maria Linder: Geschäft Abtreibung.Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2009, gebunden, 176 Seiten, 18,90 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen