© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/09 16. Oktober 2009

Auferstanden in alter Pracht
Aktuelle Stadtansichten zwischen Usedom und Thüringer Wald im Vergleich zur Zeit vor 1990
von Matthias Bäkermann

 Es schlug fünf vor zwölf. Hätte sich das DDR-Regime nur zehn oder fünfzehn Jahre länger behauptet, vieles wäre, was nicht ohnehin zwischen Oder und Harz im Krieg zerstört wurde, als kulturelles Erbe unwiederbringlich verlorengegangen. Besonders wurde dies dort augenfällig, wo Harris’ Bombenterror seine Zerstörungswut nicht derart offenbarte wie in Halberstadt oder Magdeburg. In Anlehnung an das Gerhart-Hauptmann-Zitat von 1945 „Wer das Weinen verlernt hat, der lernt es wieder beim Untergang Dresdens“ bedurften allein unter dem Aspekt des Denkmalschutzes wohl viele Tränen einer Trocknung – angesichts einstürzender Straßenzüge in Halle/Saale, verkommener Architekturschätze in Görlitz oder in Brandenburg/Havel etc.

Natürlich fand der Wiederaufbau in der sowjetischen Einflußsphäre unter ungleich härteren Bedingungen statt, saugte Moskau seine Satrapie doch wirtschaftlich aus. Doch viele Faktoren, die den Verfall begünstigten, waren systemimmanent. So waren die gewachsenen Stadtlandschaften den Kommunisten ein Dorn im Auge, galt diese „historisch überkommene Bausubstanz“ doch als Symbol alter Zöpfe und war kein rechter Lebensort für den sozialistischen „neuen Menschen“ – übrigens ähnlich im Westen, wo man unzerstörte Architektur in Fortschritts Namen „autofreundlichen Innenstädten“ opferte. Anders als dort untergruben Ulbrichts Enteignungen jedoch jedes Verantwortungsbewußtsein und förderten die Schlamperei. Besonders hart traf die Altstädte der SED-Beschluß, Mieten zum Wohle der Werktätigen auf dem Niveau der Vorkriegszeit einzufrieren, was Erhaltungsmaßnahmen oder gar Investitionen in die immer maroderen Gebäude jede finanzielle Grundlage entzog. Ein zu spät einsetzender Wertewandel blieb in der bankrotten DDR dann fast folgenlos.

Nach der Wiedervereinigung konnte auch ein Wiederaufbau beginnen, wie Hubert Bückens Vorstellung eindrucksvoll belegt. Projekte wie dieser großartige Bildband dürften allerdings nur als Appetitanreger für eine umfassendere Dokumentation der gelungenen nationalen Kollektivleistung gelten. Allen hartnäckigen Ostalgikern und „Soli“-Nörglern sei bis dahin dieser Aperitif empfohlen.

 Hubert Bücken (Hrsg.): Auferstanden in alter Pracht. Stadtansichten vor der Wende und heute. Zeitgeist Media, Düsseldorf 2009, gebunden, 160 Seiten, Abbildungen, 14,80 Euro

 Foto: „Trifugium“ im Stadtzentrum von Leipzig: Relikte des Krieges beherrschten die Innenstädte bis 1989, Sankt-Georgen-Kirche in Wismar: Mit Bürgerengagement gerettet, Plauen, Nobelstraße: Einzige aus dem Mittelalter erhalten gebliebene Häuserzeile, Rundschloß Oberpöllnitz im thüringischen Triptis: Ortspfarrer verhinderte die Sprengung, Alter Markt in Halle: Alte Patrizierhäuser stürzten ein, ganze Fassadenreihen fielen in die Straßen

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