© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/09 16. Oktober 2009

Frisch gepresst 

9. November. Ereignisse von weltgeschichtlicher Bedeutung wirken lange nach, auch in der persönlichen Erinnerung. Über 35jährige dürften sich mit Sicherheit detailliert an das Datum des 9. November 1989 erinnern. Die Öffnung der innerdeutschen Grenze ist auch der Angelpunkt, um den das Buch „Mein 9. November“ kreist. Der von dem WDR-Journalisten Heribert Schwan und dem Innsbrucker Historiker Rolf Steininger herausgegebene Band versammelt 45 Interviews wichtiger politischer und gesellschaftlicher Akteure von damals, wie etwa Michail Gorbatschow, Günter Schabowski, Valentin Falin, Egon Bahr oder Lothar de Maizière. So fragt man sich allerdings, warum ausgerechnet die beiden Hauptakteure Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher fehlen. Dennoch bieten die Interviews, die sich nicht auf den Fall der Mauer beschränken, sondern den gesamten Prozeß vom Beginn der Revolution in der DDR bis zur Wiedervereinigung reflektieren, interessante subjektive Einblicke und liefern ein facettenreiches Bild jener weltbewegenden Umbruchszeit (Mein 9. November 1989. Patmos Verlag, Düsseldorf 2009, gebunden, 432 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro).

 

Spionagegeschichte. Fernab aller James-Bond-Filme vertieft das wirkliche Agentenleben kaum etwas trefflicher als der vorzügliche Sammelband, den der Oranienburger Historiker Jürgen W. Schmidt ediert hat: „Geheimdienste, Militär und Politik in Deutschland“ (Ludwigsfelder Verlagshaus, Ludwigsfelde 2008, 407 Seiten, 29,90 Euro). Der Band beweist überdies, daß auch ein kleiner „Provinz-Verlag“ sich mit Schöningh, Beck et al. zeithistorisch auf Augenhöhe halten kann. Das Werk enthält einen umfangreichen Beitrag des Juristen Klaus-Walter Frey über den legendären Obristen Walter Nicolai, den Chef des deutschen militärischen Nachrichtendienstes im Großen Generalstab (1913–1918), einen den spezialistischen Rahmen sprengenden Aufsatz Schmidts zum deutsch-polnischen Verhältnis zwischen den Weltkriegen: „Nationalitätenkampf, Spionage und Agentenaustausche“, sowie, von dem Dresdner Doktoranden Wolfgang Kaufmann, eine spannende Darstellung des 1939/40 entworfenen deutschen Geheimplans zur „Destabilisierung Britisch-Indiens via Tibet“. Trotzdem weht den Leser bei allem Realismus wenigstens ein Hauch von James-Bond-Romantik an. Dafür sorgt allein schon Schmidts Burleske über den dänischen Gentleman-Spion Harry Lembourn, der 1928 mit einer Berliner Kontoristin in der abwegigen Hoffnung anbändelte, sie könne ihm die Geheimnisse des „Stahlhelm“ und anderer Wehrverbände offenbaren.

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