© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/09 16. Oktober 2009

Eine gelungene Verbindung
Neue Werkstoffe entlasten die Umwelt: Naturfaserverstärkte Kunststoffe haben sich in der Automobilindustrie durchgesetzt
Hans Farrnbach

 Der Nürburgring in der Eifel, eine der härtesten Rennstrecken der Welt. Beim 24-Stunden-Rennen ist seit einigen Jahren regelmäßig ein Bio-Auto mit am Start: das „Bio-Concept-Car“ – und Smudo, der Rapper der Fantastischen Vier und Rennfahrer. Aus einem konventionellen Serienauto entstand ein „Bio“-Auto: Es fährt mit Biodiesel – und es wurde mit Bauteilen aus „Biofaser“ leichter gemacht. Nicht nur Innenraumteile, sondern auch Motorhaube, Kotflügel und Heckflügel wurden aus naturfaserverstärktem Kunststoff hergestellt. Die Formteile sind so stabil, daß sie selbst den extremen Belastungen im Motorsport standhalten.

Mit dem Bio-Concept-Car stellt das Team unter Beweis, daß Rennfahrzeuge, bei denen Teile aus naturfaserverstärktem Kunststoff verbaut sind, gegen die starke konventionelle Konkurrenz bestehen können. Beim Bio-Concept-Car der Rennsaison 2009, einem Renault Mégane Trophy, wird die mehrteilige Glasfaserkarosserie Zug um Zug sogar komplett gegen naturfaserverstärkte Kunststoffteile ausgetauscht. Sie sind leichter als Stahl, leichter auch als herkömmlich zum Beispiel glas- oder karbonfaserverstärkte Kunststoffe.

Was vor zwanzig Jahren mit Forschungsprojekten und reichlich hausbacken wirkenden Testfahrzeugen begann, ist in der modernen Automobilindustrie inzwischen verbreiteter Stand der Technik. Heute finden sich in so gut wie allen Neuwagen an die 50 Bauteile aus dem innovativen Material: Seitenschweller und Säulenverkleidungen, Ersatzradmulden, Armaturenbretter, Instrumententafeln und Montageplatten, Lautsprecherhalter, komplette Türmodule – und die Palette wird immer breiter. Bei den Automobilzulieferern gehört die Produktion von Bauteilen aus naturfaserverstärktem Kunststoff inzwischen zum Standardprogramm.

Bei Mittel- und Oberklassewagen etwa sind die Innentürverkleidungen inzwischen fast zu 100 Prozent aus dem neuen Werkstoff. „Wichtig für uns, von den Produkteigenschaften her, ist einerseits, daß die Faser selbst sehr leicht ist, aber hohe mechanische Eigenschaften hat“, erklärt Franziska Strümpel, Ingenieurin und Naturfaserexpertin beim führenden Automobilzulieferer Polytech. „Das heißt, wir haben ein sehr hohes spezifisches Eigenschaftsniveau, hohe Festigkeit und hohe Steifigkeit, was für die Qualität unseres Produkts wichtig ist. Außerdem ist es auch so, daß wir durch das geringe Gewicht im Endfahrzeug ebenfalls das Gewicht senken.“

Flachs & Co sowie Kunststoff-Polymere – die Verbindung von Natur und Chemie hat zu einer neuen Werkstoffklasse geführt, den Naturfaserverstärkten Kunststoffen (NFK), zu denen auch die Holzpolymerwerkstoffe (Wood Plastic Composites; WPC) gehören. Der Grundgedanke für den Aufbau von Naturfaser-Kunststoff-Verbunden ist einfach: Naturfasern werden in einer Kunststoffmatrix – meist handelt es sich um Polyäthylen oder Polypropylen – zu einem Naturfaserkunststoff (NFK) fest verbunden, „compoundiert“, wie es in der Fachsprache heißt. Für moderne naturfaserverstärkte Kunststoffe werden vor allem Bastfaserpflanzen wie Hanf, Flachs, Jute und Kenaf verwendet. Flachs und Hanf sind auch die beiden Faserlieferanten, die in Europa angebaut, verarbeitet und am häufigsten in neuen Werkstoffen verwendet werden.

Technisch gesehen, handelt es sich bei den NFK, um Werkstoffe aus einem Kunststoff, der seine Stabilität und andere gewünschte Eigenschaften durch eingearbeitete Naturfasern und zugegebene Additive wie Haftvermittler und Farbstoffe erhält. Bauteile aus diesem Material sind mechanisch stark belastbar und gleichzeitig leicht. Sie sind daher ideal für den Automobilbau und haben sich dort bereits durchgesetzt – und sie haben auch in anderen Branchen Fuß gefaßt.

Zu den von der Autoindustrie geschätzten guten Eigenschaften der Bauteile aus NFK gehört neben ihrem geringen Gewicht auch ihre hohe Steifigkeit und Festigkeit. Weil sie also – einfach ausgedrückt – mechanisch stark belastbar und gleichzeitig leicht sind und eine Massenersparnis von bis zu 30 Prozent ermöglichen, sind sie ideal für den modernen Automobilbau.

Auch eine Reihe anderer Eigenschaften macht sie im Vergleich zu Voll- oder zu glasfaser- bzw. karbonverstärkten Kunststoffen für die Autoherstellung attraktiv: Bauteile aus naturfaserverstärkten Kunststoffen sind luftdurchlässig und erleichtern deswegen die spätere Kaschierung mit Bezugsstoffen. Weitere Vorteile liegen im guten Crash-Verhalten und der überlegenen Energieabsorption, das heißt: NFK-Bauteile splittern nicht und brechen ohne scharfe Kanten.

Auch unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit sind naturfaserverstärkte Kunststoffe anderen überlegen: Weil sie bis zu 80 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen wie Flachs & Co oder auch Holz bestehen, weil sie also nachwachsenden Rohstoffen vor endlichen den Vorzug geben, tragen sie zur Ressourcenschonung bei, leisten einen Beitrag zur Einsparung von CO2, zur Nachhaltigkeit von Industrie und Wirtschaft und schonen die Umwelt.

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