© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/09 16. Oktober 2009

Aufgeschnappt
Fortschritte in der Lehre
Matthias Bäkermann

Wo kommen denn die jungen Mädchen her?“ Der „Oberscholrat“ runzelt fragend die Stirn. Die verschämte Aufklärung über den Gemeinschaftsunterricht mit dem benachbarten „Mädchengymnasium“ läßt den Pädagogen anerkennend mit der Zunge schnalzen: „Sehr fortschrittlich, Herr Kollege, aber nicht schlecht.“

Diese bekannte Szene aus der Helmut-Weiss-Verfilmung „Die Feuerzangenbowle“ von 1944 dürfte entsprechend baldigen Realitäten in der Hauptstadt gar nicht mehr wie aus einer Welt von Anno Tobak erscheinen, glaubt man der Broschüre „Islam und Schule“, die jetzt als „Handreichung“ für die Berliner Lehrer für besseren Umgang mit muslimischen Schülern und deren Eltern im Auftrag der Bildungsverwaltung verbreitet werden soll. Im aktuellen „ersten abschließenden Entwurf“ hat der ultrakonservative Imam Ferid Heider, der Mitglied des zuständigen Arbeitskreises ist, spürbar seine Handschrift erkennen lassen: „In der Schulzeit sollte man versuchen, die fünf Gebete zu entrichten“, fordert er. Auch der Islamwissenschaftler Stephan Rosiny pflichtet dem bei: Neben einem Alkoholverbot auf Klassenfahrten, was wohl auch nicht-muslimischen Eltern gefallen dürfte, fordert er die Lehrer auf, sich im Internet über die jeweiligen Gebetszeiten zu informieren und darauf Rücksicht zu nehmen. Um Muslime nicht von Schwimm- und Sportunterricht auszuschließen, „sollte dieser möglichst geschlechtergetrennt abgehalten werden“. Im Sexualkundeunterricht, so empfiehlt Rosiny, sollten Lehrer auf Foto und Film verzichten. „Statt dessen könnten stilisierte Grafiken gezeigt werden.“ Letzterem könnte auch der „Oberscholrat“ wohl nur beipflichten.

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