© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/09 02. Oktober 2009

Geheimschrift
Politische Zeichenlehre LXXXIII: Maurerische Zeichen
Karlheinz Weissmann

Ohne Zweifel wird Dan Browns neues Buch, „Das verlorene Symbol“, wieder ein Bestseller, und ohne Zweifel wird seine Anhänger und Verehrer kaum stören, wie lax der Autor mit Fakten umgeht. Es gehört keine prophetische Gabe dazu, riesige Auflagen und alsbaldige Verfilmung vorauszusagen, und wieder wird der „Symbolologe“ Robert Langdon im Mittelpunkt stehen, dessen Popularität schon erklärt, daß er eine Auffassung vertritt, die erstaunlich verbreitet ist: nämlich die, daß Symbole immer dieselbe Bedeutung haben, daß eine bestimmte graphische Figur immer auf dieselbe Weise interpretiert werden kann und daß Symbole insofern wie eine universelle (Geheim-)Schrift gelesen werden können. In dieser Allgemeinheit ist die These sicher verkehrt, da die Zahl der „natürlichen Symbole“ (Christina Sütterlin), die tatsächlich überall verstanden werden, klein bleibt und sich auf elementare Formen (der Kreis zum Beispiel) und Farben (Rot zum Beispiel) beschränkt.

Indes kann man zugeben, daß Brown sich in seinem neuen Buch einer Gruppierung zuwendet, die nicht nur von der Idee einer allgemeinen Symbolik fasziniert war und ist, sondern selbst versucht hat, ihre Arkana in Symbole zu kleiden, die wenigstens von jedem Eingeweihten jederzeit und an jedem Ort verstanden werden können. Die Freimaurerei hat immer die Idee fasziniert, daß in den Zeichen früherer Zeiten und fremder Kulturen so etwas wie ein gemeinsamer Wissenskern verborgen sei, der sich dem Kenner enthülle, wenn der den kryptischen Zusammenhang aufdecke. Man kann sich dieser Vorstellung natürlich auch weniger sensationsheischend nähern, als Brown das tut, mit dem nüchternen Interesse des Wissenschaftlers. Der Soziologe Lorenz Jäger hat das getan mit einer neuen Untersuchung zur politischen Einflußnahme des Grand Orient (Hinter dem Großen Orient. Freimaurerei und Revolutionsbewegungen, Karolinger-Verlag, Wien/Leipzig) – einer der wichtigsten Freimaurerlogen überhaupt – seit der Französischen Revolution.

Jäger hält dabei peinlich Distanz zu den üblichen Verschwörungstheorien oder „gegenmaurerischen“ Konzepten, aber er kommt nicht umhin, so etwas wie den Versuch der Maurer festzustellen, aus dem Dunkel steuernd in historische Prozesse einzugreifen, und einen gewissen Grad an Erfolg seit dem 18. Jahrhundert zu konstatieren. Der schlug sich nicht nur in der Übernahme maurerischer Konzepte in Verfassungskonzepten und sozialen Leitvorstellungen nieder, sondern auch in Adaption maurerischer Symbole für die politische Symbolik der Linken und der Liberalen.

Besonders deutlich wurde das an den revolutionären Allegorien, die mit Winkelmaß und Waage dargestellt waren, oder der Figur der Pyramide samt allsehendem Auge, weniger klar erkennbar im Hinblick auf Zeichen, die dem antiken Kanon (Handschlag, aufgehende Sonne, Uroboros) oder dem volkstümlichen Kanon (Fünf- beziehungsweise Sechsstern) entsprachen, oder solchen, die zu unauffällig blieben wie etwa die hellblaue Farbe, oder schlecht zuzuordnen wie die Pektorale, die Geste, mit der die Hand aufs Herz gelegt wird.

Seit Gründung der USA sind diese und andere Symbole, die ursprünglich ihren Platz in der Freimaurerei hatten, in die staatliche Repräsentation, Wappen- und Flaggenbilder übergegangen. Dabei spielte anfangs direkte Einflußnahme eine Rolle, später handelte es sich um die mehr oder weniger reflektierte Übernahme von Mustern, die eben vorhanden und in Mode waren. Der heutige Verbreitungsgrad ist jedenfalls erstaunlich und das Ergebnis einer Symbol-Revolution, wie sie die Geschichte nur selten zu verzeichnen hatte.

Im Grunde gibt es nur ein einziges Parallelbeispiel: die Durchsetzung der christlichen Zeichen vom Ende des 3. bis zum Ende des 4. Jahrhunderts im römischen Reich. Auch da handelte es sich um ein Symbolsystem, das ursprünglich geheim benutzt werden mußte, dessen Bedeutung Außenstehende nicht kannten oder nicht richtig verstanden, das gewisse Schnittmengen mit dem etablierten System aufwies, aber letztlich auf dessen Ablösung zielte und diese schließlich mit der Konstantinischen Wende – die sich bezeichnenderweise in einem Symbolwechsel ankündigte – vollzog.

Es ist insofern auch kein Zufall – folgt man Jäger –, wenn mit der Durchsetzung der maurerischen Zeichen auch die Durchsetzung einer vor allem gegen das Christentum gerichteten Lehre einhergeht.

Die JF-Serie „Politische Zeichenlehre“ des Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt.

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