© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/09 02. Oktober 2009

Wiederkehrende Irrtümer
Wirtschaftsliteratur: Trugschlüsse, Fehlurteile und Kurzsichtigkeit in der Finanz- und Wirtschaftspolitik
Klaus Peter Krause

Wirtschaftliche Fehlurteile und Denkfehler gibt es zuhauf – die längst nicht ausgestandene Finanz- und Wirtschaftskrise ist das lebendige Beispiel dafür. Regierende nutzen populäre Irrtümer, um sich beliebt zu machen, und die Regierten fallen immer wieder auf sie herein. Stets verbergen sich dahinter eigennützige Interessen, die der Allgemeinheit möglichen Nutzen verwehren und ihr damit schaden. Kranke Branchen retten, Arbeitsbeschaffung durch den Staat, verordnete Mindestlöhne, Schutzzölle, staatliche Preisstützung – das klingt zunächst alles so einleuchtend, daher ist es auch so populär, und doch sind es Beispiele für schwerwiegende Denkfehler, Trugschlüsse und Kurzsichtigkeiten.

Sie aufzudecken, hat der liberale US-Ökonom und Wirtschaftsjournalist Henry Hazlitt schon 1946 begonnen. Sein Buch von damals („Economics in One Lesson“) wurde in acht Sprachen übersetzt, in zahlreichen Taschenbuchausgaben verbreitet und erschien zweimal in erweiterter und überarbeiteter Auflage. Sechzehn Jahre nach seinem Tod liegt nun eine von Wolfgang Rhiel übersetzte deutschsprachige Neuauflage vor. Das Buch liest sich dennoch so, als sei es heute geschrieben, so sehr paßt sein Inhalt auf die gegenwärtige Wirtschaftspolitik. Deren Irrtümer scheinen schier unausrottbar zu sein.

Für Hazlitt, der von der österreichischen Schule der Nationalökonomie (Ludwig von Mises, Friedrich August von Hayek) beeinflußt wurde, ist das Unausrottbare die Neigung der Menschen, nur die unmittelbaren Folgen einer Maßnahme wahrzunehmen oder nur deren Konsequenzen für eine bestimmte Gruppe. Man versäume zu fragen, wie sich dies langfristig und auf alle anderen auswirke. Es sei kurzsichtig, die Spätfolgen außer acht zu lassen. Darin liege der ganze Unterschied zwischen gutem und schlechtem Wirtschaften. „Der schlechte Wirtschafter sieht nur, was offenkundig ist, der gute blickt tiefer.“

Die ganze Lehre von der Wirtschaft lasse sich auf einen einzigen Satz komprimieren: „Die Kunst des Wirtschaftens besteht darin, nicht nur die unmittelbaren, sondern auch die langfristigen Auswirkungen jeder Maßnahme zu sehen; sie besteht ferner darin, die Folgen jedes Vorgehens nicht nur für eine, sondern für alle Gruppen zu bedenken.“ In der staatlichen Wirtschaftspolitik werde das mißachtet, und dies richte enormen Schaden an.

Damit diese Lektion, weil zu abstrakt, wie Hazlitt schreibt, besser sitzt und die Irrtümer nicht unerkannt bleiben, erklärt er sie anhand von 24 Beispielen. So erfährt der Leser, warum Zerstörung kein Segen und Bedarf keine Nachfrage ist, staatliche Arbeitsbeschaffung Stellen kostet, Steuern die Produktion lähmen, staatliche Kredite und Bürgschaften Fehlinvestitionen begünstigen, Maschinen die Menschen nicht arbeitslos machen und das Marktpreissystem bessere Arbeit leistet als der Staat.

Hazlitt erklärt, warum Preisstützen teure Krücken sind, kranke oder sterbende Branchen nicht gerettet werden dürfen und Schutzzölle weder Beschäftigung schaffen noch die Löhne anheben oder den Lebensstandard des Landes verbessern, sondern dem Land einen Nettoverlust einbringen. Heute könnte Hazlitt die Reihe beispielsweise um Stichworte wie Abwrackprämie oder Stromeinspeisungsvergütung für Wind- und Sonnenenergie ergänzen.

Der Leser lernt bei Hazlitt, daß es falsch ist, überflüssige Staatsbedienstete deswegen zu behalten, damit der Wirtschaft deren Kaufkraft nicht verlorengehe. Oder: Nicht Vollbeschäftigung ist das wirtschaftliche Ziel, sondern die Produktion. Die Beschäftigung ist nur das Mittel dafür. Aber politisch werde die Vollbeschäftigung angestrebt. Damit wird das Mittel zum Zweck erklärt. Oder: Der Staat kann der Wirtschaft keine finanzielle Hilfe geben, die er der Wirtschaft nicht vorher oder später entzieht. Wenn er der Wirtschaft Darlehen oder Subventionen gibt, macht er nichts anderes, als erfolgreiche Unternehmer zu besteuern, um erfolglose Unternehmer zu unterstützen. Begünstigungen der einen sind Schaden für die anderen – und für das Gemeinwesen insgesamt.

Bestimmend für die Löhne ist im wesentlichen die Arbeitsproduktivität – der Glaube, daß die Gewerkschaften die Reallöhne auf lange Sicht und für die Gesamtheit der Arbeiter erhöhen können, ist eine der großen Illusionen. Die Inflation ist eine Form der Besteuerung, vielleicht die schlimmste, denn sie trifft im allgemeinen diejenigen am härtesten, die am schwächsten sind. Sie wirkt wie eine Einheitssteuer, die ausnahmslos alle Einkommen mit dem gleichen Steuersatz belegt. Sie ist nicht nur eine Steuer auf die Ausgaben des einzelnen Bürgers, sondern auch auf seine Ersparnisse und seine Lebensversicherung.

Ebenso räumt Hazlitt mit Irrtümern über Arbeitszeitverkürzung, Mietpreisbindung, gerechten Lohn und über die Gewinne auf sowie damit, daß Geld nicht Reichtum bedeutet. Leider aber ist es so, „daß die schlechten Wirtschaftsexperten ihre Irrtümer der Öffentlichkeit besser verkaufen als die guten Fachleute ihre Wahrheiten“. Der von Demagogen verbreitete wirtschaftliche Unsinn leuchte scheinbar mehr ein als die Argumente der Experten, die nachzuweisen versuchten, was daran falsch sei. Das liege daran, daß Demagogen und schlechte Wirtschaftspolitiker Halbwahrheiten anböten. Daher komme es darauf an, die halbe Wahrheit durch die fehlende Hälfte zu ergänzen und zu berichtigen.

Allerdings verhält sich das diametral zu dem Ziel von Politikern, wiedergewählt zu werden. Sie wollen nicht als tatenlos und überflüssig erscheinen. Doch verkennen sie dabei, daß sie ihren Tatendurst sehr wohl stillen könnten, nämlich durch Überzeugungsarbeit gegenüber den Bürgern, warum die scheinbar nötigen staatlichen Maßnahmen Irrtümer sind und daher nichts taugen. Für politische Rattenfänger sind populäre Irrtümer unentbehrlich – viel mehr Bürger könnten ihnen widerstehen, wenn sie dieses Buch gelesen haben.

Henry Hazlitt: Economics! Über Wirtschaft und Mißwirtschaft. Die Lektion – Die Beispiele – Die Nachgedanken. Olzog Verlag , München 2009, gebunden, 255 Seiten, 24,90 Euro

Foto:  Schrott im Konjunkturpaket: Langfristige Auswirkungen jeder wirtschaftspolitischen Maßnahme beachten

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