© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/09 02. Oktober 2009

Auf verschlungenen Pfaden
Honduras: Der gestürzte Präsident Zelaya ist zurückgekehrt / Wie lange dauert sein Botschaftsasyl?
Michael Johnschwager

Die Lage in Honduras hat sich zugespitzt. Es herrscht Ausnahmezustand. Soldaten stürmten am Montagmorgen die Studios des regierungskritischen Senders Canal 36 und von Radio Globo. Der Angriff war anfangs sogar über die Ätherwellen zu hören, dann brach das Signal ab, der Sendebetrieb verstummte. Später verhinderte ein massives Polizeiaufgebot eine Massenkundgebung von Anhängern des gestürzten Präsidenten José Manuel Zelaya Rosales. Zahlreiche Demonstranten hatten sich seit dem Morgen vor der Pädagogischen Universität in der Hauptstadt Tegucigalpa versammelt. Die international nicht anerkannte Übergangsregierung von Roberto Micheletti hat die Bürgerrechte per Dekret weiter eingeschränkt – die Redefreiheit wurde für 45 Tage aufgehoben.

 „Grundlegende Rechte wie Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind mittlerweile nur noch leere Worte in Honduras“, kritisiert die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG). „Seit drei Monaten werden kritische Medien und Journalisten in dem mittelamerikanischen Land gegängelt, eingeschüchtert und bedroht. Nun greift die Putschregierung zusätzlich zu diktatorischen Maßnahmen, um die wenigen verbliebenen unabhängigen Stimmen zum Verstummen zu bringen.“

Die brasilianische Botschaft ist von Militär umzingelt. In der diplomatischen Mission hält sich der am 28. Juni vom Militär in einem Staatsstreich festgenommene und anschließend nach Costa Rica ausgeflogene Präsident von Honduras, „Mel“ Zelaya, auf. Anfang Juli scheiterte Zelaya mit seinem Coup, per Flugzeug in seine Heimat zurückzukehren. Die Landepiste des Flughafens in Tegucigalpa wurde von Lkws blockiert. Weitere Rückkehrversuche gingen über ein kurzfristiges Überschreiten der Grenze von Nicaragua aus nicht hinaus (JF 30/09).

Am 22. September gelingt Zelaya schließlich die Rückkehr nach Honduras. Die Interimsregierung von Micheletti trifft die Rückkehr des gestürzten Präsidenten völlig überraschend. Dabei kam ein Flugzeug mit venezolanischer Kennung zum Einsatz, das ohne Landeerlaubnis auf dem internationalen Flughafen von San Salvador, der Hauptstadt des benachbarten El Salvador, landete. Dort wurde Zelaya von einer Delegation der Linkspartei FMLN in Empfang genommen. Die Delegation wurde angeführt vom Vizepräsidenten des Parlaments, Sigfredo Reyes. Den erwiesenen Freundschaftsdienst ließ man sich mit 30.000 US-Dollar honorieren, die als „Strafzahlung“ für die illegale Landung ausgewiesen wurden.

Über den weiteren Ablauf der Rückkehr kursieren unterschiedliche Versionen: So soll ein landesweit bekannter Politiker aus Honduras’ „heimlicher Hauptstadt“ San Pedro Sula den Heimkehrer in seinem gepanzerten Fahrzeug befördert haben. Da Zelaya als Angehöriger der honduranischen Oberschicht kleinstaatenübergreifend in Zentral­amerika vernetzt ist, wäre auch denkbar, daß ihm ein Geschäftsmann aus Guatemala dessen Kleinflugzeug für die Repatriierung zur Verfügung stellte. Der Verteidigungsminister der honduranischen Interimsregierung, Adolfo Lionel Sevilla, verdächtigte ein südamerikanisches Land, dem entmachteten Präsidenten die Einreise in einem Diplomatenwagen ermöglicht zu haben.

Seitdem hat Zelaya Zuflucht in der brasilianischen Botschaft gefunden, zusammen mit etwa 40 Anhängern, darunter Diplomaten und Journalisten. Da Brasilien die Auslieferung Zelayas an die honduranischen Machthaber verweigert, wird die brasilianische Botschaft vom Militär abgeriegelt, die Strom- und Wasserversorgung zeitweise abgestellt und die Telefonleitungen unterbrochen. In der Folge kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Zelaya-Anhängern vor der Botschaft. Das Innenministerium gab die Festnahme von zunächst 174 Demonstranten bekannt. Eine verhängte Ausgangssperre zeugt von der extrem gespannten Lage. Darüber hinaus werden Straßensperren errichtet und Flüge gestrichen. Mindestens zwei Tote und mehrere durch Schüsse verletzte Personen sind zu beklagen.

Was hatte die Akteure um Micheletti bewogen, Zelaya zu stürzen? Sie werfen ihm Landesverrat und Verfassungsbruch vor. Zelaya wollte im Sommer eine Volksbefragung über die Einsetzung einer verfassungsgebenden Versammlung durchsetzen, die ihm unter anderem eine weitere Amtszeit ermöglicht hätte. Ein solcher Schritt hätte aber gemäß der Verfassung von 1982 vom Obersten Wahlgericht anberaumt und überwacht werden müssen. Zelaya wandelte damit auf den Spuren des linkspopulistischen Präsidenten Hugo Chávez in Venezuela. Bolivien und Ecuador waren Chávez später gefolgt.

Zelaya hatte 2005 die Wahlen für die Liberale Partei (PLH) gewonnen, der auch Micheletti angehört – unter anderem mit dem Versprechen, im Kampf gegen die ausufernde Kriminalität die Polizeistärke zu verdoppeln. Zelaya stammt auch nicht wie der bolivianische Präsident Evo Morales aus der armen Indio-Bevölkerung, sondern aus der Oberschicht. Der 57jährige Bauingenieur ist Großgrundbesitzer und war jahrelang für Unternehmerverbände und im Vorstand einer Privatbank tätig. Als Präsident agierte er aber dann zunehmend als „Sozialrevolutionär“ und führte unter anderem einen Mindestlohn ein.

2008 trat Honduras dann dem Staatenbund Alba bei, dem unter anderem die linksregierten Länder Bolivien und Venezuela sowie das kommunistische Kuba angehören. Damit verlor Zelaya die Unterstützung seiner eigenen Partei – und provozierte Washington, wo damals noch die Bush-Regierung regierte. Daß enttäuschte US-Neocons die honduranischen Politiker zu ihrem Staatsstreich ermuntert haben sollen, ist allerdings lediglich ein Gerücht. Doch die Zeiten haben sich ohnehin geändert. Das US-Außenministerium unter Hillary Clinton hält an einer harten Linie gegenüber der Micheletti-Regierung fest. US-Präsident Barack Obama möchte nicht in den Ruch kommen, sich mit „Putschisten“ einzulassen – und das in einem Land, dem sich die USA weiter eng verbunden fühlen und das andererseits dringend auf US-Unterstützungszahlungen angewiesen ist.

Micheletti hat inzwischen zwar Gesprächsbereitschaft im Rahmen der Organisation amerikanischer Staaten (OAS) signalisiert, aber als Voraussetzung verlangt er von Zelaya, die von der Interimsregierung für den 29. November angesetzte Präsidentschaftswahl anzuerkennen. Eine Rückkehr Zelayas ins Amt schloß er entschieden aus. Der vom Obersten Gerichtshof erwirkte Haftbefehl gegen Zelaya wurde nicht aufgehoben.

Zelaya hat indes den Termin für seine Heimkehr taktisch geschickt gewählt, denn gleichzeitig tagte in New York die UN-Vollversammlung. Diese erklärte, daß Honduras derzeit nicht die Voraussetzung für die Abhaltung glaubwürdiger Wahlen erfülle. Weitere Unterstützung erfährt Zelaya seitens der EU sowie der OAS. Die im Juli aus Honduras abberufenen Botschafter werde man zurück- beordern. So wolle man den gestürzten Präsidenten unterstützen, ließen Spaniens Außenminister Miguel Ángel Moratinos Cuyaubé und OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza am Rande der UN-Vollversammlung verlauten.

Daß nicht nur linke, sondern auch wirtschaftsliberal-konservativ orientierte Präsidenten gern ihre Amtszeit verlängern, zeigt das Beispiel Kolumbien. Dessen populärer Präsident Álvaro Uribe Vélez ermöglichte sich 2005 per Gesetz eine von der Verfassung nicht vorgesehene zweite Amtszeit. 2006 wurde Uribe mit 62,2 Prozent der Wählerstimmen eindrucksvoll im Amt bestätigt. Von seinem Amtskollegen George W. Bush wurde er später sogar mit der „Presidential Medal of Freedom“ geehrt. Nun visiert Uribe für 2010 eine dritte Amtspe­riode an.

Foto: Zelaya-Anhänger protestieren vor der Pädagogischen Universität in Tegucigalpa: Putschregierung ist weiter international isoliert

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