© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/09 25. September 2009

2.000.000.000.000
Staatsverschuldung: Ob „Bildungssoli“ oder „Ökosteuer“ – nach der Wahl werden Löcher gestopft
Paul Rosen

Ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen, sagt ein geflügeltes Wort des Altertums. Die Trojaner schlugen die Warnungen in den Wind und holten das hölzerne Pferd in die Stadt. Ergebnis war die Zerstörung Trojas. Auch über zweitausend Jahre später sind wieder Trojanische Pferde unterwegs. CDU und FDP versprechen zur Bundestagswahl am 27. September Steuersenkungen. Die SPD verspricht einen gerechteren Einkommensteuertarif, der Entlastungen für untere Schichten mit sich bringen soll. Ähnliches ist bei den Grünen zu lesen. Und Die Linke hat sich „Reichtum für alle“ auf die Fahnen geschrieben.

Gemeinsam ist den Versprechungen der Parlamentsparteien, daß sie die größte Staatsverschuldung seit Bestehen der Bundesrepublik ignorieren. Mit 1.600 Milliarden Euro standen Bund, Länder und Gemeinden 2008 in der Kreide. Das war vor der Wirtschaftskrise. Seitdem steigt die Schuldenlast inflationär. Ein Wert von 2.000 Milliarden, das sind zwei Billionen Euro, wird 2010 in greifbare Nähe rücken.

Der Staat ist nicht mehr in der Lage, diesen Schuldenberg zu bedienen, das heißt, aus laufenden Einnahmen die Zinsen für die Schulden zu bezahlen. Diese Tatsache wird verschwiegen. Letztlich heißt es immer, es fehle Geld für Bildung, für Kindertagesstätten oder für die Unterstützung des Prekariats. Selbst die FDP ist dafür, das Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger zu erhöhen – womit das Subsidiaritätsprinzip der Sozialhilfe endgültig ad absurdum geführt wäre.

Der Kassensturz wird kommen. Im November, wenn klar ist, wer mit wem regiert, wird die neue oder alte Koalition sehr überrascht feststellen, daß kein Geld mehr da ist und dringend frisches beschafft werden muß.

Instrumente gibt es genug. Da ist die Mehrwertsteuer, das liebste Kind der Steuer­erhöher. Wenn man sie nur von 19 auf 20 Prozent erhöhen würde, hätte der Staat 30 Milliarden Euro mehr in der Kasse. Ein Propagandist dafür ist der Hamburger Wirtschaftswissenschaftler Thomas Straubhaar. Er fordert eine höhere Mehrwertsteuer und eine Senkung der direkten Steuern wie der Einkommensteuer. Ein Teil der Einnahmen soll dazu verwendet werden, die Sozialabgaben unter 40 Prozent zu halten, damit die Arbeitskosten nicht zu hoch sind und Stellen nicht wegrationalisiert werden. Kundige Thebaner dürften das Ergebnis ahnen. Die Mehrwertsteuer steigt, während die indirekten Steuern und Sozialabgaben leider nicht gesenkt werden können. Deren Reduzierung wird dann für die nächste Bundestagswahl in Aussicht gestellt …

Und glaube niemand den Versprechungen von Angela Merkel (CDU) oder Frank-Walter Steinmeier (SPD), man werde die Mehrwertsteuer nicht erhöhen. 2005 hatte Merkel die Steuererhöhung auf zwei Punkte beschränken wollen, die SPD war sogar ganz und gar dagegen. Heraus kam eine Steuererhöhung von drei Prozentpunkten.

Die Parteien haben ohnehin einige Maßnahmen in den Programmen stehen, die bisher übersehen wurden. Da ist der „Bildungssoli“ – in sich schon eine tolle Wortschöpfung. Bildung ist per se eine feine Sache, Solidarität auch. Und da der „Bildungssoli“ angeblich nur von den Reichen kassiert werden soll (so die SPD und ähnlich die Grünen), entsteht bei den meisten Bürgern ein Wohlgefühl. Doch handelt es sich dabei um Blendwerk. Ein höherer Spitzensteuersatz für Bildung – nichts anderes ist dieser „Soli“ – zieht sich durch die ganze Tarifkurve und belastet schließlich auch Normalverdiener.

Eine weitere Schraubzwinge findet sich in den Programmen der linken Parteien, hat aber auch bereits bei Kanzlerin Merkel Appetit ausgelöst. Es ist die Börsenumsatzsteuer. Ziel ist, Spekulanten zur Kasse zu bitten. Die Zeche bezahlen aber weniger die Spekulanten, sondern Millionen Lebensversicherte, deren Spargelder in Anleihen und anderen Wertpapieren angelegt werden und die dann besteuert würden.

Allein aufgrund der aktuellen Gesetzeslage sind weitere Erhöhungen beschlossene Sache. So kommt bei den Sozialabgaben eine Anhebung um 0,8 Prozentpunkte, weil die kürzlich vorgenommenen Absenkungen befristet sind nach dem Motto: Zur Wahl werden die Schrauben gelockert, danach um so schärfer angezogen. Daß der auf 2,8 Prozentpunkte gesenkte Arbeitslosenversicherungsbeitrag ein Dauerzustand ist, glaubt selbst Merkel nicht mehr. Kein Wunder: Bei der Nürnberger Behörde fehlen bald 50 Milliarden Euro in der Kasse. In den anderen Sozialsystemen ist es ähnlich. Steigt die Arbeitslosigkeit weiter an, brechen die Einnahmen weg, und da es im Staatshaushalt keine Reserven mehr gibt, müssen die Beiträge erhöht werden.

Auch bei der Ökosteuer besteht noch Potential. Die Benzinpreise bildeten noch lange nicht die ökologische Wahrheit ab, sagte der neue Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Falsbarth. Die Dementis klangen halbherzig oder unglaubwürdig. Nur der finanzpolitische Sprecher der Union, Otto Bernhardt, bestritt solche Absichten besonders heftig. Der Haken: Bernhardt wird dem neuen Bundestag nicht mehr angehören.

Propagandisten des Klimawandels jagen den Bundesbürgern Angst ein. Die Politik nutzt die Chance und erhöht die Steuern. Der Bürger zahlt doch gerne ein paar Euro mehr fürs Benzin, um Hitzewellen oder der Sintflut durch einen gestiegenen Meeresspiegel zu entgehen.

Mit Klimaschutz läßt sich eine ganz neue Abgabe begründen, deren Fundamente in der zu Ende gehenden Legislaturperiode bereits gegossen wurden. Der Bund sicherte sich im Rahmen der Föderalismus-Beschlüsse alle Rechte an allen Verkehrssteuern – sogar per Grundgesetzänderung. Niemand bemerkte, daß der Bundestag mit diesem Ermächtigungsbeschluß allein ohne Zustimmung des Bundesrates und ohne Beteiligung der Länder am Steueraufkommen eine Mautpflicht für alle Pkw beschließen kann. Es winken hohe zweistellige Milliardenbeträge – für Politiker wäre das eine Art Rauschzustand.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen