© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/09 18. September 2009

Wahlkampfhilfe für die Große Koalition
General Motors: Der Teilverkauf von Opel an das Magna/Sberbank-Konsortium ist noch längst keine Rettung
Paul Rosen

Es ist gerade zehn Jahre her, da befand sich die rot-grüne Bundesregierung in Schwierigkeiten, und die Probleme beim größten deutschen Baukonzern Holzmann kamen Kanzler Gerhard Schröder wie gerufen. Der damalige SPD-Chef rief Banker zusammen, drückte einen vom Staat subventionierten Rettungsplan durch und ließ sich als Retter von tausenden Arbeitsplätzen bei Holzmann feiern. Zu den wenigen Kritikern gehörte damals ausgerechnet die linke taz, die mit der Überschrift „Holzmann rettet Schröder“ das Ziel der politischen Inszenierung des SPD-Kanzlers auf den Punkt brachte.

Das Ende der Geschichte ist schnell erzählt: 2002 war Holzmann trotz Schröder pleite, und 2005 scheiterte Schröder. Vermutlich droht jetzt ähnliches bei Opel. Am Ende der gerade ins Leben gerufenen Firma „New Opel“ könnte eine industriepolitische Katastrophe stehen, die den deutschen Steuerzahler Milliarden gekostet, aber die 25.000 Arbeitsplätze des traditionsreichen Autobauers trotzdem nicht gerettet hat.

Seit Beginn der Opel-Krise hat die Bundesregierung ein Problem im Umgang mit dem Autohersteller. Zwar ging die US-Muttergesellschaft General Motors (GM) pleite und hätte beinahe auch die unter Opel/Vauxhall firmierenden europäischen Werke in den Abgrund gezogen. In den USA konnte sich GM dank des andersartigen Konkursrechts (Chapter 11), einer 50-Milliarden-Dollar-Spritze der Regierung und der Wirkungen der US-Abwrackprämie (cash for clunkers) aus dem Sumpf ziehen. Amerikanische Politiker dachten jedoch gar nicht daran, die europäischen Opel-Werke in die Rettung einzubeziehen. Daß die Bundesregierung in Berlin bei Opel einsprang, war vom Grundsatz her nicht verkehrt. Nur die Herangehensweise entpuppte sich als Katastrophe. Kanzlerin Angela Merkel suchte zwar einen industriepolitischen Erfolg. Andererseits durfte die CDU-Chefin der SPD, die schnell nach Verstaatlichung rief, nicht zu sehr nachgeben.

Und dann war da der neue Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der in der Beliebtheitsskala nach oben schoß, als er die Frage aufwarf, ob man Opel nicht besser in Konkurs gehen lassen solle. Guttenberg drohte mit Rücktritt, Merkel ließ das Problem lösen, indem eine Treuhand eingesetzt wurde, in der Berlin nichts zu sagen, aber trotzdem Milliarden zu zahlen hatte. Das war der erste Fehler. Von dem gewährten Überbrückungskredit in Höhe von 1,5 Milliarden Euro ist eine Milliarde verbraucht. Guttenberg sagte kürzlich, das Geld bei Opel reiche noch bis Januar 2010. Und jetzt sind sich die meisten Experten einig, daß der deutsche Staat bei Opel mindestens fünf Milliarden lassen wird.

Der von Beginn an gemachte zweite Fehler bestand darin, die Suche nach einem neuen Investor vom Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze abhängig zu machen. Deshalb hatte der kanadisch-österreichische Zulieferer Magna, der mit der russischen Sperbank ein Konsortium bildet, bei deutschen Politikern die besten Karten. Der zuletzt noch übriggebliebene Konkurrent, der Finanzinvestor RIJH, hatte einen stärkeren Abbau von Arbeitsplätzen angekündigt.

Zwar hatte Guttenberg immer wieder gewarnt, der Wahltag 27. September dürfe bei den Verhandlungen keine Rolle spielen, doch ging das Opel-Projekt trotzdem auf eine abschüssige Bahn wie ein Auto, dessen Besitzer das Anziehen der Handbremse vergessen hat. Merkel konnte nur noch mitfahren, zu steuern war nichts mehr. Der Konzern GM, der mit 35 Prozent an „New Opel“ beteiligt bleibt, konnte sich mit verschiedenen Forderungen durchsetzen, zum Beispiel einer Begrenzung von Märkten, auf denen Opel anbieten darf. Für Merkel (und natürlich auch die mitregierende SPD) war schließlich jeder Vertrag unterschriftsreif, wenn er nur garantierte, daß Arbeitsplätze und Werke (besonders die in Bochum und Eisenach) erhalten bleiben würden. Was die Russen, die am neuen Konzern mit 27,5 Prozent beteiligt sind, überhaupt vorhaben, hat jedenfalls in Berlin niemanden interessiert. Magna sollte unbedingt den Zuschlag erhalten, obwohl der Zulieferer und auch die Russen mit viel zu wenig Eigenkapital einsteigen und plötzlich auch weit mehr Arbeitsplätze als die bisher angekündigten 3.000 abgebaut werden sollen.

Die Probleme bei Opel sind älter als die Wirtschaftskrise. Der Marktanteil der Autos mit dem Blitz-Symbol sank seit 1995 von 17 auf derzeit neun Prozent. 12.000 Arbeitsplätze gingen bereits verloren. Mit einem Absatz von 1,5 Millionen Autos pro Jahr in Europa ist es zweifelhaft, ob Opel auf Dauer in der Liga der großen Autobauer mitspielen kann. Fahrlässiges Verhandeln, Unterfinanzierung und Absatzprobleme führten dazu, daß ausgerechnet die Vertreter der Bundesregierung und der Bundesländer im Beirat der Opel-Treuhand massive Kritik an der Entscheidung übten. „Nach dem Geschäftsplan, den Magna für Opel vorgelegt hat, müßte Opel nach dem heute geltenden Insolvenzrecht im Jahr 2010 oder 2011 Insolvenz wegen Überschuldung anmelden“, sagte der ehemalige Continental-Chef Manfred Wennemeyer, der von der Regierung in den Beirat entsandt worden war. Er stimmte gegen den Vertrag mit Magna.

Nur weil sich der Vertreter der Bundesländer im Beirat, Dirk Pfeil, der Stimme enthielt, konnte der Vertrag mit Magna besiegelt werden. Sonst hätte Merkel nachverhandeln oder einen neuen Investor suchen müssen. Pfeil übte trotz der Enthaltung massive Kritik: Wenn er „gewußt hätte, daß es ausschließlich eine politische Entscheidung gibt und die Betriebswirtschaft völlig hintendran bleibt“, wäre er dem Gremium nicht beigetreten. Es sei einmalig, daß derjenige, der die Bürgschaft gibt, auch den Käufer bestimme. Man müsse damit rechnen, daß die 4,5 Milliarden Euro für Opel nicht reichen würden.

Die Bundesregierung reagierte auf die Kritik, wie auf Verbreiter schlechter Nachrichten inzwischen häufiger reagiert wird: Es wird überlegt, den eigenen Treuhand-Vertreter aus dem Opel-Beirat zu werfen.

Foto: Opel-Produktion in Eisenach: US-Regierung rettete die Konzernmutter GM mit Milliarden-Einsatz

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