© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/09 04. September 2009
Gutes Klima für die Förderung schaffen Die obligate Jahresbilanz der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ähnelt immer mehr jenen Unternehmensberichten, in denen die Werbefuzzis noch die trostlosesten Zahlen als Aufbruchsignale verkaufen. Nur daß bei der DFG, die sich dank ihres von Bund und Ländern finanzierten Milliardenetats keine der kapitalismusimmanenten Sorgen machen muß, ein penetranter Optimismus nicht Investoren beruhigen soll, sondern offenbar inzwischen zum Selbstzweck geworden ist. Entsprechend kommuniziert der neue DFG-Präsident, der Ingenieurswissenschaftler
Matthias Kleiner, die Aufgaben und Ergebnisse im Jahresbericht 2008. Überall
scheint es immer nur Fortschritte zu geben, bei den mitfinanzierten 37
Graduiertenschulen und 37 Exzellenzclustern, die eine neue Dynamik ins
deutsche Wissenschaftssystem gebracht hätten: bei der Internationalisierung der
Forschung im Sinne der Europa-Strategie der DFG, bei der Digitalisirung des
Fördergeschäfts oder bei Gleichstellung von Mann und Frau im
Wissenschaftsbetrieb und und und. Was in dieser bunten Hochglanzwelt, die sich mit zahllosen Anglizismen gern weltläufig geriert, vollständig abhanden gekommen ist, ist die Kultur der Selbstkritik und der Distanz zur Machbarkeitsphilosophie, die immer noch in den 2008 mit fast zwei Milliarden Euro geförderten Lebens-, Natur- und Ingenieurswissenschaften dominiert. Gerade weil der Jahresbericht hier die Tendenz zur praktischen Anwendung hervorhebt, dürfte der wissenschaftsfremde Laie, für dessen Wohl so unermüdlich wie kostspielig geforscht wird, die Resultate eher mit Enttäuschung quittieren. Vor allem in der Medizin scheint sich hinter viel neuer Begrifflichkeit die alte Kluft zwischen verbesserter Diagnostik und stagnierender Therapie aufzutun. So sucht man im Berliner Exzellenzcluster NeuroCure die Frage zu lösen, ob der im Grünen Tee enthaltene Wirkstoff Epigallocatechin-Gallat (EGCG) gegen Multiple Sklerose hilft. Bislang verliefen die Untersuchungen ergebnisoffen: Das EGCG kann neuroprotektive Effekte zeitigen, also etwa Nerven vor dem Absterben schützen. Nur sicher und anwendungsreif sind diese Erkenntnisse noch lange nicht. Ebenso ungewiß und weit von therapeutischer Translation entfernt, sind die experimentellen Resultate, die die Kinderärztin Maike Pincus an der Berliner Charité gewonnen hat. Werden in den ersten Monaten der Schwangerschaft Grundlagen für Erkrankungen im späteren Leben gelegt? Ist solche fetale Programmierung von Krankheitsanfälligkeit auf erhöhten Streß und die dadurch verminderte Ausschüttung des Schwangerschaftshormons Progesteron zurückzuführen? Pincus Tierexperimente lassen derzeit nur mehrdeutige Antworten zu. Noch skeptischer darf man den Klassiker unter den medizinischen DFG-Projekten, die Bekämpfung von Krebserkrankungen, bewerten. Ein Forschungsverbund, der siebzig Wissenschaftler und Techniker vereint, setzt nun Hoffnungen auf die Bestrahlung von Tumoren mit Schwerionen. Die klinisch-therapeutische Anwendung soll dabei im Vordergrund stehen, doch noch sehr lange dürfte man wie jetzt aus dem Munde des Projektleiters hören, daß Bestrahlungsplanung und Strahlführung einer Optimierung bedürfen. Und ob der Freiburger Mediziner Roland Schüle bei der Suche nach innovativen Therapieansätzen im Krankheitsbild des Prostatakrebses erfolgreich sein wird, ist im Rückblick auf hundert nicht eben glanzvoll verlaufene Forschungsjahre auf diesem Sektor keinen Wetteinsatz wert. Neue Projekttypen, die auch Mißerfolge einkalkulieren Immerhin erhält Schüle maximal 1,25 Millionen Euro nach der Vorgabe eines nach dem 2006 verstorbenen Historiker Reinhart Koselleck benannten Risiko-Programms, das Mißerfolge einkalkuliert. Dieser neue maßgeschneiderte Projekttyp der DFG, in dessen Rahmen bis April 2009 neun Anträge bewilligt wurden, solle Forscher finanzieren, deren Arbeiten abseits des sogenannten Mainstreams lägen, wie DFG-Präsident Kleiner ausführt. Schließlich sei ja auch Koselleck ein origineller Querdenker gewesen. Eine Einschätzung, bei der einmal mehr schöner Schein und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Denn Koselleck ist mit seinen geschichtspolitischen Konformismus in höchster Vollendung zelebrierenden Einlassungen zum Berliner Holocaust-Mahnmal nicht eben als Querkopf aufgefallen. Hoffentlich erfolgt da die Forschungsförderung nur in seinem Namen, nicht aber in seinem Geiste. Ultraschallbild in der zehnten Schwangerschaftswoche: Auf die Frage nach einer fetalen Programmierung von Krankheitsanfälligkeit durch erhöhten Streß der Mutter gibt es nur mehrdeutige Antworten Den Jahresbericht der Deutschen Forschungsgemeinschaft gibt es als PDF-Datei unter www.dfg.de |