© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/09 04. September 2009

Konvertitenzwist
Wie die Freundschaft zwischen dem französischer Romancier Léon Bloy und seinem Schriftstellerkollegen Joris-Karl Huysmans zerbrach
Georg Alois Oblinger

Sie waren beide Katholiken, sogar beide Konvertiten, doch sie waren beide auch Exzentriker: Léon Bloy (1846–1917) und Joris-Karl Huysmans (1848–1907). Beide Schriftsteller gehörten zum Schülerkreis von Jules Barbey d‘Aurevilly und waren eine Zeitlang miteinander befreundet, bevor es dann zum großen Bruch kam.

Für diesen Bruch gibt es mehrere Gründe: Einmal hatte der als mittlerer Angestellter im französischen Innenministerium immerhin mit regelmäßigen Einkünften gesegnete Huysmans nach dem Tode Barbeys 1889 nur widerstrebend die Rolle des Mäzens für den ständig unter Geldnöten leidenden Bloy übernommen. Aber auch der literarische Wandel, den Huysmans durchmachte, erregte zunehmend den Ärger des leicht erregbaren Bloy. Nach einem Liebäugeln mit dem Naturalismus in seiner Jugendzeit wandte sich Huysmans einem ästhetischen Symbolismus zu und geriet zunehmend auch in den Sog des Okkultismus.

Das Zerbrechen der Freundschaft zwischen Bloy und Huysmans wird für den Leser sehr gut nachvollziehbar anhand eines Buches, das Bloy im Jahr 1913 verfaßt hat und das jetzt erstmals auf deutsch vorliegt. Es trägt den Titel „Über das Grab von Huysmans“ („Sur la tombe de Huysmans“) und enthält nach einer kurzen Einleitung vier Aufsätze, die Bloy in den Jahren 1884, 1887, 1891 und 1893 geschrieben hat. Der allgemeinen Gepflogenheit „De mortuis nihil nisi bene“ setzt Bloy die Rechtfertigung entgegen: „Der Tod ist keine Entschuldigung.“

So rechnet er ab mit Joris-Karl Huysmans und seiner „Religion aus Versatzstücken und altem Gerümpel“. Nach dem Erscheinen von „Gegen den Strich“ („A rebours“) verteidigt Bloy zunächst seinen Freund und nimmt ihn gegen die verschiedensten Angriffe in Schutz. Er spricht von dem „einstigen Naturalisten und heutigen Spiritualisten, der nicht vor der hochfliegenden Mystik zurückschreckt und der sich von dem zwielichtigen Zola derartig absetzt, als ob sich plötzlich interplanetarische Räume zwischen ihnen aufgetan hätten“.

Auch Bloys Rezension von Huysmans’ „Auf Reede“ („En rade“; auf deutsch auch unter dem Titel „Zuflucht“) fällt ganz und gar positiv aus – im Gegensatz zu zahlreichen Zeitgenossen. Huysmans „wurde seit seinen Anfängen oft in den Dreck gezogen und allerseits ausgepfiffen (…) Der Mißerfolg des neuen Romans von Huysmans ist also weitestgehend gesichert.“ Bloy verteidigt den Roman gegen den Vorwurf der Pornographie und lobt dessen psychologische Dimension. Das Erscheinen von „Tief unten“ („Là-bas“) bewirkt dann den Bruch zwischen beiden Schriftstellern. „Der Gesamtanblick von ‘Là-bas’ hat mich nämlich schnell von meinem lyrischen Überschwang befreit.“ Bloy hatte eine Studie über den Satanismus erwartet und ihm dafür zahlreiches Material geliefert. Doch Huysmans, der Bloy „drei Viertel seines Buches verdankt“, hat durch eine „schimpfliche Verzerrung“ aus dem „Heilkraut der Wahrheit ein tödliches Gift gemacht“.

Nach dem Tod von Abbé Boullan, einem Magier, der lange Zeit großen Einfluß auf Huysmans ausübte, greift Bloy noch einmal zur Feder und urteilt über Huysmans. Dieser habe sich „in größter Unkenntnis, was religiöse Dinge betraf“ von den „dreckigen Schandtaten eines unwürdigen Priesters“ begeistern lassen. Er habe sich eben nie ganz vom Naturalismus gelöst und sei nach wie vor ein Esoteriker.

Wenn auch von geringem Umfang, ist diese deutsche Erstveröffentlichung ein Meilenstein für die Forschung zur literarischen Bewegung des „renouveau catholique“ in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhundert. Sie weist zahlreiche Bezüge der dazugehörigen Schriftsteller auf und ist ein Dokument für das Zerbrechen einer zentralen Schriftsteller-Freundschaft. Überdies sind die Aufsätze Bloys auch ein Lesevergnügen der besonderen Art.

Léon Bloy (l.) rechnet sechs Jahre nach dem Tode Joris-Karl Huysmans mit dessen Werk ab: „Durch eine schimpfliche Verzerrung aus dem „Heilkraut der Wahrheit ein tödliches Gift gemacht“

Léon Bloy: Über das Grab von Huysmans. Merve Verlag, Berlin 2009, broschiert, 80 Seiten, 8 Euro

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