© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/09 28. August 2009

Leserbriefe

Zu: „Rache an Deutschland“ von Claus-M. Wolfschlag, JF 35/09

Die Projektion des eigenen Schattens

Bravo! In Ihrer Rezension von Tarantinos Machwerk trifft jedes Wort ins Schwarze. Hinzuzufügen bleibt noch, daß die dem zum Un- oder Nichtmenschen deklarierten Gegner entgegengebrachte Brutalität eine unbeabsichtigte Selbstentlarvung beinhaltet, erinnert das Skalpieren doch an die amerikanische Ursünde, jenen ebenfalls rassistisch motivierten Ausrottungskrieg gegen die nordamerikanischen Ureinwohner, dem möglicherweise mehr als sechs Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind. Auch wenn die Vernichtungsmaschinerie hierbei zeitbedingt nicht auf industriellem Fließbandstandard war, ist und bleibt es ein Verbrechen gegen die Menschheit.

Tiefenpsychologisch gesehen drängt sich der Eindruck auf, daß hinter der amerikanischen Manie, den ehemaligen deutschen Gegner auf die Stufe des Tieres zu erniedrigen, um ihn skrupellos zu liquidieren, die Projektion des eigenen Schattens steht. Allgemeinmenschlich betrachtet ein weiteres Indiz für das niedere intellektuelle und geschmackliche Niveau unserer amerikanisierten Unterhaltungskultur und des ihr lobhudelnden Zeitgeistes. Wer sich das antut, ist selber schuld.

Martin Scharmacher, Lenzkirch

 

 

Zu: „Die Empörungsmaschinerie“ von Wolfgang Nettesheim, JF 35/09

Düstere Absichten unterstellt

SPD-Chef Franz Müntefering hielt vor kurzem Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, sie sei nur an ihrer Karriere interessiert. „Die große Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist ihr egal“, sagte er.

Es ist natürlich sehr bequem, einem Gegner eine düstere Absicht zu unterstellen, um dessen Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen, doch korrekt ist es nicht. Man kann nur in Ausnahmefällen einem Menschen eine unlautere Absicht nachweisen, zum Beispiel wenn dieser nicht objektiv argumentiert oder sich in Widersprüchen zu früheren Aussagen verheddert.

Wer nicht ehrlich zur Wahrheit strebt, besitzt in der Regel eine verborgene Absicht. Wird jedoch eine Absicht haltlos unterstellt, um einen Verdacht zu erzeugen, so kann der Beschuldigte schwer nachweisen, daß er die Absicht nicht hatte. Protestiert er gegen den Verdacht, so heißt es: „Getroffene Hunde bellen.“ Eine Empörung über eine unterstellte Absicht wird im heutigen Psychologismus als Beweis für die Absicht angesehen.

Berthold Arndt, Klötze

 

 

Zu: „‘Ein Sieg über die Fanatiker’“, Interview mit Peter Gauweiler, JF 35/09

Vorwurf der Unsachlichkeit

In Hinblick auf das Interview bin ich mit dem CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler einig, daß die Art, wie Sie Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisieren, unerträglich ist. Schade, daß nun auch schon Rechte gegen Rechte polemisieren.

Bleiben Sie sachlich und damit glaubwürdig. Wir haben mit den anderen Medien schon genug unsachliche Meinungsäußerungen.

Werner Zöllter, Bodenwerder

 

 

Zu: „Obduktion eines verkümmerten Flügels“ von Reinhard Uhle-Wettler, JF 34/09

Animositäten hintanstellen

Das Fehlen einer echten konservativen Partei „rechts der Mitte“ ist ja nichts Neues. Wenn dazu aber die rechten intellektuellen Köpfe in Deutschland weiterhin auf den „historischen Moment“ warten, in dem „immaterielle, gleichwohl bewährte und traditionelle Werte gefragt sind“, werde ich eine solche Partei wohl nicht mehr erleben. An fehlenden Finanzmitteln kann es wohl kaum liegen, denn es gäbe sicherlich Wähler genug, die auch zu einer Finanzhilfe bereit wären, wenn nur die Erfolgsaussichten da wären. Was fehlt, ist der Mut und die Kraft intellektueller Persönlichkeiten, sich zu einer solchen Partei zu bekennen, den „linken Gegenwind“ auszuhalten und persönliche Animositäten dabei hintanzustellen.

Werner Christ, Überlingen

 

 

Zu: „Lauter Ernstfälle“ von Michael Wiesberg, JF 34/09

Afghanistan ist besetztes Land

Ich bin sicher nicht gefährdet, die sogenannte „Linke“ zu wählen, aber etliche Leute werden dies tun. Denn es ist natürlich richtig, daß die Bundeswehr in Afghanistan nichts verloren hat. Allein das Gequatsche von der Wertegesellschaft ist ja nicht zum Aushalten. Welche Werte sind das? Die der Bergpredigt oder der Aufklärung? Oder die der skrupellosen Renditejäger, der rückgratlosen Ministerialbürokraten, der nur das eigene Wohl sehenden Gemeinwohlschwätzer?

Sicher, ich würde nicht gerne in einer Gesellschaft leben, die von beschränkten Priestern drangsaliert wird und wo die Frauen Säcke über dem Kopf tragen müssen. Ob unsere Lebenswirklichkeit mit Raffgier, Rücksichtslosigkeit, Ressourcenverschwendung, Heuchelei und Orientierungslosigkeit dem Rest der Welt erstrebenswert sein muß, scheint allerdings auch fraglich.

Afghanistan ist besetztes Land, früher von den Russen, heute von der „Wertegemeinschaft“. Dabei geht es schlicht um geostrategische Interessen. Und wie, bitte schön, soll sich ein kleines Volk gegen eine tausendfach überlegene Militärmaschinerie wehren? Genau! Mit „feigen“ Anschlägen ohne Rücksicht auf das eigene Leben. War schon in der Antike so.

Klaus Jänicke, Berlin

 

 

Zu: „Der lange Abschied von der Wehrpflicht“ von Paul Rosen, JF 34/09

Die Dienstpflicht durchsetzen

Von der allseits vermittelbaren Landesverteidigung ist man zum Söldnerheer in fremden Interessen geworden. Deutsche Soldaten haben, bewaffnet, im Ausland nichts zu suchen, wie auch fremde Soldaten, bewaffnet, in unserem Land nichts zu suchen haben.

Von den Wehrpflichtigen des Jahrgangs 1984 (435.898 Mann) wurden nur 18,7 Prozent zum grundgesetzlich festgesetzten Wehrdienst eingezogen (daneben leisteten 21,3 Prozent Zivildienst) – ganze 57,9 Prozent wurden zu gar nichts eingezogen! (Quelle: Deutscher Bundestag, nach Spiegel 31/2009)

Bei einer solch hohen Wehr-Ungerechtigkeit ist der Wehrdienst heute unzeitgemäß. Deshalb plädiere ich dringend dafür, die nicht zur Bundeswehr eingezogenen jungen Männer zum Zivildienst zwangseinzuziehen. Im Krankenhaus oder in der Hauskrankenpflege kann selbst ein physisch und psychisch nicht optimal in der Lage befindlicher 18jähriger unserem Gemeinwesen nützlich sein und seinen Platz aufgezeigt bekommen, ein verantwortungsvolles wie nützliches Mitglied unseres Volkes zu sein.

Peter Hild, Potsdam

 

 

Zu: „Josef S. verurteilt“ von Georg Pfeiffer, JF 34/09

Was ist Gerechtigkeit?

Die im Prozeß gegen den Neunzigjährigen zur Sprache gekommenen Ereignisse rufen primär Trauer über die elf unschuldigen Opfer und Mitleid mit deren Angehörigen hervor.

Die Straftat ist während einer für den Verurteilten schwierigen Situation erfolgt. Er mußte das Leben seiner Untergebenen schützen, die einer Bedrohung durch Nichtkombattanten ausgesetzt waren. Er hat falsch gehandelt. Die festgestellte Schuld wird nun an ihm haften bleiben. Zuschauer im Gerichtssaal haben nach der Urteilsverkündung dem Richter applaudiert. Ich kann für diese Menschen keine Sympathie empfinden.

Besonders bedrückend aber ist es, wieder einmal feststellen zu müssen, daß „Gerechtigkeit“ ein höchst subjektiver Begriff ist. Hier hat ein Mensch falsch gehandelt und in einer aktuellen Kriegssituation den Tod von unschuldigen Menschen schuldhaft verursacht. Was aber ist beispielsweise mit jenen, die rechtswidrig mit der ausdrücklichen Absicht, möglichst viele zivile Opfer zu verursachen, mit ausgeklügelten Plänen zur Entfachung von Feuerstürmen zivile Wohngebiete angegriffen und Hunderttausende unschuldiger Zivilisten ermordet haben? Sie und ihr oberster Verantwortlicher haben nie vor einem Richter gestanden. Letzterer konnte sich bis an sein Lebensende internationaler Wertschätzung erfreuen.

Helmut Lamprecht, Landsberg

 

Zweimal lebenslänglich

Während unser Staatswesen unter Aufhebung der Verjährungsfristen bis zum Sanktnimmerleinstag büßen und sühnen läßt, hat der ehemalige faschistische Bündnispartner eine generelle Amnestie erlassen. Daß diese nicht für Deutsche gilt – Erich Priebke kann ein Lied davon singen –, mußte auch Josef S. erfahren, als er 2006 schon einmal in Abwesenheit zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde. Vergessen hatte Italien die hohen Ehrungen im Jahre 1994 für die Rettung der Kunstschätze aus dem Kloster Monte Cassino – die JF berichtete darüber.

Zweimal lebenslänglich – wenn das keine deutsch-italienische Partnerschaft ist! Doch wie heißt es so schön: Wehe den Besiegten!

Gerd Kresse, Lagesbüttel

 

 

Zu: „‘Nur die Toten erleben das Ende des Krieges’“, Interview mit Martin van Creveld, JF 34/09

Einfach genial!

Einfach genial, das Gespräch mit Martin von Creveld! So intelligente und integere Menschen sind eine Seltenheit!

Dr. Gerhardus Lang, Bad Boll

 

 

Zu: „‘Man könnte den ganzen Tag heulen’“ von Hinrich Rohbohm, JF 34/09

Unvertretbare Kohle-Risiken

Auch die Katastrophe von Nachterstedt hat uns noch einmal in aller Dringlichkeit vor Augen geführt, daß Kohlebergbau mit unwägbaren und damit unvertretbaren Risiken verbunden ist. Das läßt sich weder durch permanentes Kleinreden dieser Gefahren noch durch Hinweis auf bestehende gesetzliche Schutzbestimmungen entkräften.

Bevor noch mehr vermeidbares Unglück geschieht und unser aller Umwelt weiterhin in beängstigendem Maße irreparable und unüberschaubare Schäden zugefügt werden, sollten wir unseren Verstand benutzen, um das Jammertal des Kohlebergbaus ein für allemal zu verlassen.

Daher: Keine neuen Kohlekraftwerke! Keine neuen Kohletagebaue!

Ferner ist nicht einzusehen, warum heute noch infolge Gesetzeslage die Bergbaubetreiber über Rechte zur Enteignung der Bergbaubetroffenen verfügen. Die Bergbaubetreiber erwirtschaften dadurch private Gewinne unter Inkaufnahme des Elends anderer Menschen. In diesem Zusammenhang von gerechten Abfindungen zu sprechen, grenzt an Hohn und Spott.

Kurt-L. Schornsheim, Starsiedel

 

 

Zum Leserbrief: „Im Streit mit allen Nachbarn“ von Richard Gatti, JF 34/09

Lehne Alleinschuld ab

Mit großer Freude las ich diesen Leserbrief wie auch die vielen anderen zum Thema. Den Verfassern ein Dankeschön für die mutige öffentliche Stellungnahme zu den Vertreibungsverbrechen, die nach dem Ersten Weltkrieg ihren Anfang nahmen und sich bis in die fünfziger Jahre in Ost­europa hinzogen.

Als selber Betroffene lehne ich die Alleinschuld Deutschlands an beiden Kriegen ab, denn es gibt vorzügliche Literatur auch von ausländischen Historikern zu diesem Thema. Wiederholt habe ich Besserwissern widersprochen, wenn sie mir weismachen wollten, daß nur das stimmen kann, was man in jahrelanger „Erforschung“ nach Lesart der Sieger von damals den Umerzogenen zur Erbauung ihrer geschichtlichen Wahrheitsfindung serviert.

Gertrud Bell, Nürnberg

 

 

Zum Leserbrief: „Den Amtseid vergessen“ von Dieter Schmidt, JF 34/09, und „Steinmeier auf der Suche nach dem verlorenen Glück“ von Paul Rosen, JF 33/09

Amtseid nur deklaratorisch?

Als der frühere Bundeskanzler Kohl sein Ehrenwort einem Geldspender gegenüber über das Gesetz stellte und die Namensnennung verweigerte, erfolgte eine Anzeige wegen Meineid. Die zuständige Staatsanwaltschaft, weisungsgebunden, stellte das Verfahren mit der Begründung ein, die Ablegung eines Eides vor dem Bundestag (dann sicherlich auch vor den Landtagen) habe nur deklaratorischen Charakter. Also alles nur Kasperletheater?

Der Gesetzgeber, hier die Bundestagsabgeordneten, weigern sich seit Jahrzehnten, Straftatbestände für Abgeordnete in das Strafgesetzbuch zu übernehmen, obwohl das die EU und die UN schon lange fordern.

So können die Volksvertreter bei erschlichenen Bonusmeilen und sonstigem Kassieren immer behaupten, sie hätten nichts Strafbares getan.

Karl-Heinz Bauer, Saarbrücken

 

 

Zu: „Ablenken und ausweichen“ von Dieter Stein, JF 33/09

Wirklich Wichtiges ausgespart

Es ist Bundestagswahlkampf, und niemand geht hin. Die Akteure verbreiten gähnende Langeweile, und die Wähler fühlen sich angesichts der Platitüden veräppelt. Themen, die die Wähler brennend interessieren, werden manipulativ ausgespart, zum Beispiel die Vergütung samt fortlaufenden Bonuszahlungen an risikolos agierende Bankmanager, die die globale Finanzkrise samt Folgen maßgeblich mit verschuldet haben.

Alle Parteien rufen nach Gerechtigkeit, aber keine geht das Problem effektiv an. Warum unterläßt es hier beispielsweise die als Verwalterin der sozialen Gerechtigkeit landläufig eingeführte SPD, zu fordern, Spitzengehälter samt Zusatzleistungen mindestens in den staatlich dominierten Bankinstituten auf das doppelte Bruttogehalt des Bundeskanzlers einzufrieren, oder auf den 20fachen Betrag des Geringstverdieners der betreffenden Bank, oder auf den 50fachen Betrag eines durchschnittlichen Hartz-IV-Empfängers?

Eine Million Euro Jahresgehalt reicht. Mehr ist unmoralisch bis kriminell.

Herbert Ott, Esslingen

 

 

Zum Leserbrief: „Außerhalb versteht ihn niemand“ von Juergen Kunz, JF 33/09

Jalta erst im Februar 1945

Der Leser beklagt den „jährlichen Rummel um Stauffenberg“, schließlich seien in Jalta „Verhandlungen“ ausgeschlossen worden. Bekanntlich ereignete sich das fehlgeschlagene Attentat am 20. Juli 1944. Die Konferenz von Jalta fand im Februar 1945 statt. Am 20. Juli 1944 hielt die Wehrmacht noch Paris und Riga, auch wenn der Krieg längst verloren war. Erst im Februar 1945 stand die Rote Armee an der Oder.

Ein erfolgreiches Attentat hätte zumindest die Zerstörung von Breslau, Dresden, Pforzheim, Halberstadt, Potsdam sowie zahlreicher anderer deutscher Städte verhindert. Vielleicht hätte sogar die Abtretung rein deutsch besiedelter Gebiete verhindert werden können.

Klaus Spiegel, St. Ingbert

 

 

Zu: „Vertrauensverlust für Atomstrom“ von Volker Kempf, JF 30/09

Nur schlampiger Trafotausch

Es ist erfreulich, wie sachlich der Autor auf die Probleme des Atomkraftwerkes Krümmel eingeht und die beiden Transformatorschäden als Problem der konventionellen Kraftwerkstechnik nennt. Der Brand des außerhalb des nuklearen Bereiches stehenden Maschinentransformators vor zwei Jahren hat viel Wirbel ausgelöst, aber keine atomare Gefahr dargestellt.

Daß es nun bei der Inbetriebnahme eines Austausch-Maschinentransformators wieder zu Problemen kam, ist – wie Kempf richtigstellt – ebenfalls kein Versagen der nuklearen Technik. Diese hat funktioniert und den Reaktor abgeschaltet. Die wiederholten Probleme mit den dem Stromnetz zuzurechnenden Maschinentransformatoren im Kraftwerk Krümmel werfen aber kein gutes Bild auf unsere Energiebranche, denn es sind Qualitätsprobleme bei einem der zwei großen deutschen Trafohersteller – der anscheinend beim Trafotausch geschlampt hat. So wie manche Autowerkstatt schlampt und der Autohalter danach die Probleme ausbaden muß.

Walter Waldner, Lehrte

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