© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/09 28. August 2009

Frisch gepresst

Lesebuch Königsberg. Bei einem Titel, wie ihn einst Martin A. Borrmann als Herausgeber mit „Geliebtes Königsberg“ wählte, ist der Leser nicht im Zweifel darüber, wie er die ostpreußische Metropole betrachten soll. Zudem gehörten nicht wenige seiner Beiträger zur „Erlebnisgeneration“ und hatten das reiche Kulturleben der Zwischenkriegszeit mitgestaltet. Entsprechend enthusiastisch fielen ihre Erinnerungen an die Pregelstadt als „geistige Lebensform“ aus. Vorwiegend „Liebeserklärungen“ versammelte auch noch Brigitta Kluge, als sie 1989 „Königsberg in alten und Reisebeschreibungen“ herausgab. Ein Novum dieser Sammlung, die zwei Jahre vor der Öffnung des von den Sowjets abgeriegelten nördlichen Ostpreußen erschien, waren literarische Rundgänge durch „Kaliningrad“. Gunnar Strunz und die geborene Kaliningraderin Alla Strunz sind in ihrem „Reise-Lesebuch Königsberg-Kaliningrad“ (Trescher Verlag, Berlin 2009, broschiert, 405 Seiten, 14,95 Euro) dem Borrmann-Konzept treu geblieben, indem sie einen Autorenchor von Immanuel Kant und Karl Rosenkranz bis zu Agnes Miegel und Wilhelm Matull das Lob der Pregelmetropole singen lassen. Dem Königsberg-Kenner begegnet hier allerdings kaum Neues, es sind die vielfach gedruckten und zitierten Namen und Texte. Ärgerlich ist zudem, daß aus Heinrich Hausers Stadtreportage von 1932 wohlfundierte polenkritische Passagen „weggelassen“ wurden. Der eigentliche Wert der Sammlung liegt daher in der Vielfalt der Raumerkundungen aus sowjetischer und postsowjetischer Zeit, darunter neben Deutschen wie Karl Schlögel und Ralph Giordano auch mehrere Russen wie Valentin Nikolajewitsch Sorin mit seinen „Zehn Träumen von Königsberg“.

Deutsche in Brasilien. Der nun vorliegende zwölfte Band der vom Kolonialhistoriker August Wilhelm Steffan herausgegebenen „Befunde und Berichte zur deutschen Kolonialgeschichte“ (Band 12, Windhuk, Gelnhausen 2009, broschiert, 92 Seiten, 19 Euro, zu ordern bei Prof. Dr. A.W. Steffan, Internationaler Arbeitskreis für kolonialhistorische Forschung, Postfach 1161, 63551 Gelnhausen) hat etwas auf sich warten lassen, erschien doch der elfte Band 2006. Dafür hat die neue Ausgabe die kolonialen Pfade aus der Kaiserzeit verlassen und widmet sich deutschen Spuren in Süd­amerika. Mit dem Germanisten Hartmut Fröschle führte in der Ausgabe dann auch der herausragende Spezialist auf dem Gebiet der Forschung über das Auslandsdeutschtum die Regie, der ausführlich die Blumenauer Region in Südbrasilien historisch porträtiert. Obwohl sich heute über fünf Millionen Brasilianer auf ihre deutschen Wurzeln berufen können, beschränkt sich die deutsche Sprache zunehmend nur noch auf folkloristische Nischen.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen