© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/09 21. August 2009

„Die Klärung eines Sachverhalts“ auf 3sat: DDR-Aufarbeitung – Fünf Minuten nach zwölf
„Sie sind ein Diversant, ein Verräter. Nicht mehr!“
Christian Dorn

Mittlerweile scheint es, als repetierten die Medien alle Jahre wieder – anläßlich des Gedenkens an den 13. August 1961 – pflichtgemäß die vermeintlich neuesten Zahlen getöteter DDR-Flüchtlinge. Mal geht es um die korrekte Ziffer aller an der innerdeutschen Grenze ermordeten Menschen, mal um jene, die an den Außengrenzen der sozialistischen Bruderländer ihr Leben ließen. Wirkliche Anteilnahme hieße jedoch, auch die dahinterstehende Dimension in den Blick zu bekommen: die Gesamtheit der im Großraumgefängnis DDR eingesperrten Menschen, die dem sozialistischen Menschheitsexperiment zu entkommen suchten. Seit dem Mauerbau wagten etwa 370.000 von ihnen den Weg in die Freiheit. Mehr als 72.000 scheiterten bei diesem Versuch und landeten hinter Gittern. Daß dies nicht nur sogenannten „Republikflüchtlingen“ passierte, sondern in nicht geringer Zahl auch jenen widerfuhr, die regelkonform einen Ausreiseantrag gestellt hatten, ist ein längst vergessenes Kapitel.

An dieses erinnert in eindrücklicher Weise der Kurzfilm von Sören Hüper und Christian Prettin. „Die Klärung eines Sachverhalts“, so der an Polizei- und Stasi-Verhöre erinnernde Titel, schildert das auf einem realen Vorgang beruhende Schicksal eines jungen Ehepaars, das 1985 in Karl-Marx-Stadt aus familiären Gründen einen Ausreiseantrag gestellt hatte. Da beide an ihrem Ausreisewunsch festhielten, wurde der Ehemann unter dem fingierten Vorwurf der „landesverräterischen Nachrichtenübermittlung“ zu zwei Jahren Haft verurteilt. Erst nach 18 Monaten wurde er vom Westen freigekauft. Die Filmfigur, der Ingenieur Jürgen Schulz, sieht sich in dem Kurzfilm einer 24stündigen Befragung durch den Stasi-Hauptmann Kühnel (Foto) ausgesetzt: „Sie sind ein Diversant, ein Verräter. Nicht mehr. Und das als Parteimitglied!“ Bezeichnenderweise zeigt die Sendezeit für diese TV-Premiere, daß es für die Aufarbeitung der DDR-Diktatur schon fünf nach zwölf ist.

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