© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/09 21. August 2009

„Es muß klar sein, wer Herr ist und wer Knecht ist“
Politikberatung: Während sich Union und SPD gegenseitig Vorwürfe machen, beklagen Experten den Einfluß von „Rechtsfabriken“ auf die Gesetzgebung
Paul Rosen

Alles sah nach einem lange erwarteten Wahlkampftrumpf für die Sozialdemokraten aus. Genußvoll kanzelte Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) den CSU-Wirtschaftsminister Karl Theodor zu Guttenberg ab, derzeit der beliebteste Minister des Kabinetts von Angela Merkel. Guttenberg hatte einen Gesetzentwurf zu Bewältigung der Bankenkrise bei der großen internationalen Anwaltskanzlei Linklaters bestellt und – offenbar die Folgen nicht bedenkend – mit deren Briefkopf an die übrigen Kabinettsmitglieder verschickt. Zypries warf ihrem CSU-Kollegen Steuergeldverschwendung vor: „Es ist unverantwortlich, eine große Wirtschaftskanzlei zu beauftragen, statt den vorhandenen Sachverstand innerhalb der Bundesregierung zu nutzen“, empörte sich die Justizministerin.

Die Empörung war vorschnell, wie ein Rückgriff auf schnell verfügbare Zahlen zeigte. „SPD-Minister bezahlen für Anwälte am meisten“, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung Mitte  der vergangenen Woche und bewies damit, daß Zypries einen Rohrkrepierer gezündet hatte. Denn ausgerechnet das von Peer Steinbrück (SPD) geführte Finanzministerium hatte im vergangenen Jahr das meiste Geld für externe Sachverständige wie Anwälte und Unternehmensberater ausgegeben. Es waren im Hause Steinbrück 12,4 Millionen Euro. Das Innenministerium gab 1,26 Millionen Euro aus, das Verkehrsministerium 8,3 Millionen. Das von Guttenberg geführte Wirtschaftsministerium beschied sich mit 620.000 Euro.

Insgesamt dürften die Ausgaben der Bundesregierung für externe Beratung sich auf etwa 40 Millionen Euro belaufen. Doch wird das Geld keineswegs nur für Gesetzesvorhaben ausgegeben. Laut einer Antwort auf eine Parlamentarische Anfrage sollen zwischen 2006 und 2009 rund 2,5 Millionen Euro für elf Gesetze ausgegeben worden sein. Die CDU verteidigte die Beratungsausgaben: „Bei einem Gesetzgebungsvolumen von 500 Milliarden Euro möchte man ja auch keine Fehler machen“, sagte der CDU-Haushaltsexperte Steffen Kampeter. Das Ergebnis zeige doch, daß die Bankenrettung in Deutschland erfolgreich sei.

Kampeter muß natürlich alles versuchen, den Unions-Wahlkampfschlager Guttenberg aus der Schußlinie zu holen. Dennoch bleibt ein schlechter Geschmack, wenn man sich näher ansieht, wer alles beraten hat. So nahm das Finanzministerium den Sachverstand der Kanzlei White & Case in Anspruch, als es um das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz ging. Diese Kanzlei hatte vorher Fonds und Banken gegenüber den Aufsichtsbehörden vertreten.

Die Gesetze zur Finanzmarktstabilisierung wurden nach einem Bericht der taz von der Kanzlei Freshfields mitbetreut. Dabei ging es auch um die Errichtung des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin). „Pikanterweise hilft Freshfields auch Banken, die von dem Sonderfonds Unterstützung erhalten“, so die Zeitung. Freshfields hatte 2007 auch die inzwischen verstaatlichte Hypo Real Estate beraten. Als es um das Rettungspaket für die HRE ging, war die Kanzlei wieder dabei – als Berater des Finanzministeriums. Freshfields und andere sind mit Jahresumsätzen von mehreren Milliarden Euro und oft über 2.000 beschäftigten Anwälten, Steuerberatern und Unternehmensberatern in mehreren Ländern keine klassischen Sozietäten mehr, sondern eher als „Rechtsfabriken“ anzusehen.

Wenn sie einen Kunden, etwa eine Bank, erst in die Pleite beraten, dann der örtlichen Regierung helfen, die Krise zu bewältigen, und danach wieder Banken beraten, wie sie die Krisenhilfe am besten in Anspruch nehmen können, dann ist das aus Sicht dieser Kanzleien nur konsequent. Denn an jedem Schritt haben sie riesig verdient.

Auch am „Bad Bank“-Konzept waren externe Berater wie die Firmen Lazard & Co und Deloitte & Touche beteiligt, wie die Regierung mitteilte. Auskünfte über die Höhe der Honorare gab es nicht, allerdings die Auskunft, daß die Aufträge ohne Ausschreibung vom Finanzministerium vergeben wurden. Vom Verkehrsministerium wurde Beratungsleistung für 1,1 Millionen Euro ohne Ausschreibung für den Gesetzentwurf zur Bahn-Privatisierung eingekauft. Ein bisher unveröffentlichtes Gutachten des Bundesrechnungshofes kritisiert diese Praxis. Die Beratungsleistungen würden „weiterhin ohne zwingenden Grund ohne ausreichenden Wettbewerb“ vergeben. Außerdem gehe die Beratung „zum Teil nicht auf einen nachvollziehbaren festgestellten Bedarf zurück“.

Zwar werden die Gesetze noch vom Bundestag und in dessen Ausschüssen beraten. Es gibt auch öffentliche Anhörungen zu den Gesetzentwürfen. Doch gerade dort sind auch wieder Rechtsanwaltskanzleien zu finden. Außerdem weiß niemand, wer die großen Verbände der Industrie und anderer Unternehmen berät, die dort Empfehlungen für die Gesetze abgeben. Vielleicht wieder diese Kanzleien?

Der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim kritisiert, daß der Gesetzgeber durch die Vergabe von Gesetzaufträgen immer mehr zum „Gesetznehmer“ werde. Und die deutsche Gesellschaft für Politikberatung will ein verpflichtendes Register für Lobbyisten. Der Staatsrechtler Ulrich Battis fordert: „Es muß klar sein, wer Herr ist und wer Knecht ist.“

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