© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/09 14. August 2009

Aufklärung im Ersten: Angriff auf die Sinne – Wie wir Verbraucher verführt werden
Der unsichtbare Kampf der Konsumindustrie
Christian Dorn

Wahrscheinlich dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis Koma-Patienten mittels besonders intensiver Gerüche wieder ihr Bewußtsein erlangen. In der westlichen Warenwelt hat sich – nahezu unbemerkt – längst das unsichtbare Prinzip olfaktorischer Zurichtung entfaltet. Komplementär zu dem Begriff der „Corporate Identity“ werden in Laboren die verschiedensten Varianten eines „Corporate Smell“ entwickelt – Gerüche, die beim potentiellen Kunden eine unterbewußte Bindung zum offerierten Objekt herstellen sollen. Kaum jemand kennt sich in dieser Materie genauer aus als die in Berlin ansässige norwegische Geruchsforscherin Sissel Tolaas, die – im wörtlichsten Sinn – überall ihre Nase hineinsteckt.

Tolaas, die zugleich an der Harvard Business School eine Professur für „unsichtbare Kommunikation und Rhetorik“ innehat, ist nichts Menschliches fremd. Bei ihrem ersten Schweißprojekt in Korea etwa hatte ein neunzig Jahre alter Soldat an ihrem „guy no 9“ geschnüffelt, einer Simulation des Angstschweißes von 16 Männern. Der Veteran war hingerissen, weil er diesen Schweiß zuletzt im Japanisch-Koreanischen Krieg gerochen hatte. Er bestellte bei Tolaas gleich einen halben Liter dieser Duftessenz.

Wie indes der unsichtbare Krieg der Konsumindustrie geführt wird, zeigt exemplarisch der Dokumentarfilm „Angriff auf die Sinne – Wie Verbraucher verführt werden“ des Autors Jan Tenhaven. In diesem gewährt die Forscherin Tolaas einzigartige Einblicke in einen Berufsstand, der – ähnlich wie dessen Gegenstand – den Blicken der Öffentlichkeit verborgen ist. Wer von all der olfaktorischen Manipulation die Nase noch nicht voll hat, erfährt hier mehr über die indifferente Wahrnehmung im Supermarkt, wo die künstlichen von den wirklichen Gerüchen der Ware nicht mehr zu unterscheiden sind.