© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/09 14. August 2009

WIRTSCHAFT
Fragwürdige Kreditklemme
Jens Jessen

Die Kanzlerin und der Finanzminister glauben ein Wahlkampfthema gefunden zu haben: eine drohende Kreditklemme. Sie wollen die Banken zur Kreditvergabe zwingen und so Handlungsfähigkeit beweisen. Das aber widerspricht der wichtigsten Aufgabe der Banken in der Krise, die Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft wieder herzustellen. Dazu müssen sie die Risiken der Kreditnehmer berücksichtigen. Wenn sie zur Kreditvergabe gezwungen werden, kommen sie nicht aus dem gefährlichen Fahrwasser heraus, in dem sie sich schon befinden. Sie könnten sogar in einen noch schlimmeren Abwärtsstrudel geraten, da in Zeiten einer lahmenden Konjunktur mit einem hohen Kreditausfallrisiko zu rechnen ist. Normalerweise sollten die Banken in Krisenzeiten von dem in guten Jahren angesammelten Kapitalpuffer zehren können. Dieser Puffer ist aber in den letzten Jahren nicht mehr aufgebaut worden.

Zur Zeit können die Banken nur ihr Geschäftsvolumen herunterfahren, um eine vernünftige Relation zum Eigenkapital zu generieren. Die Betonung einer Kreditklemme und die daraus entstehende Hysterie geben zu denken. Am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim ist eine empirische Analyse erstellt worden, aus der eine Kreditklemme in Deutschland beim besten Willen nicht abzulesen ist. „Der in der wirtschaftspolitischen Diskussion der vergangenen Wochen immer wieder zu hörende Vorwurf an die Banken, daß sie zu wenig Kredite an die Privatwirtschaft vergäben und damit die Rezession verschärften, wird durch die verfügbaren Fakten derzeit nicht gestützt“, so Michael Schröder vom ZEW. Alle Zahlen, so das ZEW, sprächen für eine Ausweitung des Kreditangebots der Banken für Kreditlaufzeiten von weniger als fünf Jahren.

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