© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/09 14. August 2009

Parasitäre Bürokraten und Geschäftemacher
Landwirtschaft: Ohne die Zwänge des KP-Regimes könnte Kuba erfolgreicher Agrarexporteur sein / Mehr privates Engagement?
Paul Leonhard

Die Kubaner müssen sich auf weitere drastische Einschnitte in der Lebensmittelversorgung gefaßt machen. Weniger Konsum, mehr Arbeit und Disziplin forderte Staatspräsident Raúl Castro von seinen Landsleuten. Und er kündigte „konkrete Maßnahmen“ an, die Staat und Kommunistische Partei nun beschließen wollen. Dazu könnten auch Einschnitte bei den Lebensmittelkarten (Libreta) oder ihre Abschaffung sowie eine Aufwertung des Nationalen Pesos gegenüber dem konvertiblen gehören. Der für Herbst geplante Parteitag der alleinherrschenden KP und damit die grundlegenden Entscheidungen über die weitere Entwicklung wurden hingegen auf unbestimmte Zeit verschoben.

Kuba steckt in einer der größten Krisen der letzten zehn Jahre. Die Einnahmen aus Exporten sind rapide gesunken, die Ausgaben für Lebensmittelimporte stark angestiegen. Gleichzeitig wurde die Wachstumsprognose für 2009 von ursprünglich sechs auf 1,7 Prozent reduziert. Neu war, daß Castro in seiner Ansprache anläßlich des 56. Jahrestages des mißglückten Sturms auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba darauf verzichtete, den USA die Alleinschuld an der kubanischen Wirtschaftsmisere zu geben.

Die weltweite Krise habe zwar zur Verschärfung der Situation beigetragen, aber für die Engpässe in der Landwirtschaft seien die Kubaner selbst verantwortlich. Damit räumte Castro erstmalig indirekt ein, daß 50 Jahre staatliche Landwirtschaft ein totaler Fehlschlag waren, und forderte mehr privates Engagement: „Das Land ist da, und hier sind die Kubaner“, rief der 78jährige den rund 200.000 Versammelten zu, die mit Hochrufen und Beifall antworteten.

In der Realität zeigen aber nur wenige Kubaner Lust, sich in der Landwirtschaft zu engagieren. Knapp 39 Prozent der angebotenen Flächen sind nach Angaben Castros verteilt worden. Kein Wunder, ist doch die Arbeit auf dem Land wesentlich härter als in den Städten. Überdies hält das 2008 gestartete Regierungsprogramm zur Vergabe von brachliegendem Land an Interessierte nur wenig von dem, was es verspricht. Denn die Ländereien bleiben im Besitz des Staates. Und beim Nießbrauch werden Organisationen gegenüber privaten Nutzern bevorzugt. Überdies ist im Gesetz festgelegt, daß dem Staat ein Großteil der Ernte zu von diesem festgesetzten Konditionen zu überlassen ist. Zu diesen Restriktionen kommt oft die Unkenntnis örtlicher Funktionäre. Selbst wenn sie gut gemeint war, ist Castros Bodenreform in der Bürokratie steckengeblieben.

Man sei doch nicht so dumm und schufte den ganzen Tag, um brachliegendes Land urbar zu machen, und dann ändere sich die Politik und man verliere wieder alles, schimpft ein Mann in einem Dorf nahe der Nordküstenstadt Varadero. Schon sein Großvater sei von den Kommunisten enteignet worden, und die hätten den fruchtbaren Boden dann vergammeln lassen: „Wir arbeiten gern, aber nur wenn wir Rechtssicherheit haben.“ Und die gebe es unter einem KP-Regime nie. Enttäuscht zeigt sich auch ein Mann aus Santiago, der voller euphorischem Glauben an Castros Versprechungen tatsächlich Land bestellen wollte. Das erste Stück, das man ihm angeboten habe, sei total versumpft gewesen, das zweite völlig versteppt. „Frühestens nach zwei, drei Jahren intensiver Bewirtschaftung hätte der Boden erste Erträge abgeworfen“, erzählt er. Gleichzeitig hätte er sich aber für den Kauf von Saatgut und landwirtschaftlichem Gerät vom Staat völlig verschulden müssen.

Absolute Kontrolle wichtiger als der Lebensstandard

Dabei könnte Kuba, das heute fast 85 Prozent seines Lebensmittelbedarfs aus dem Ausland einführt, ein blühendes Paradies sein. Die Deutsche Welthungerhilfe hat in verschiedenen Teilen mit ausgesuchten Produktionskooperativen (CPA) demonstriert, wie reich Ernten ausfallen, wenn Fruchtfolgen eingehalten werden und ausreichend bewässert wird – und wenn die Bauern entsprechend motiviert sind, weil sie erzielte Gewinne in Technik investieren können und diese nicht an die Allgemeinheit abführen müssen.

Noch verhindert aber die Regierung – für die die absolute Kontrolle wichtiger ist als der Lebensstandard der Menschen –, daß Engagement und harte Arbeit zu Wohlstand führen. Unter der Herrschaft der Gebrüder Castro ist ein Volk von parasitären Bürokraten und unproduktiven Geschäftemachern herangewachsen. Ihnen steht lediglich eine schmale Schicht gut ausgebildeter Wissenschaftler, Ärzte und Ingenieure entgegen, die das Land am Leben halten. Bei diesen hat eine neue Verordnung für Verunsicherung gesorgt, die alle Betriebe zwingt, mit zwölf Prozent weniger Energie auszukommen. In Büros werden Lüftungs- und Klimaanlagen abgestellt, besonders energieintensive Produktionen wie ein Reifenwerk bei Havanna komplett geschlossen.

An der ideologischen Front wird derweil weiter abgerüstet. Nachdem Raúl Castro landesweit die die USA schmähenden Propagandabilder abbauen ließ, hat Washington an seiner Ständigen Vertretung in Havanna das unter George W. Bush installierte Nachrichten-Laufband abgestellt, das bisher vom fünften Stock des Gebäudes aus in riesigen roten Lettern den Kubanern demokratische Botschaften und Zitate von Menschenrechtlern propagierte. Zugleich versicherte Raúl Castro aber vor der Nationalversammlung: „Unser politisches und soziales System steht nicht zur Debatte.“ Er sei gewählt worden, um den Sozialismus „weiter zu perfektionieren“.

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