© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/09 07. August 2009

Bayerische Trachtenvereine: Vor allem die Jugend nimmt sich gern der Tradition an
„Wir waren heut’ gut drauf“
Wolfhard H. A. Schmid

Bayerns Nachwuchs ist im Trachtenrausch“? Glaubt man der Münchener Abendzeitung, „strömen“ die „Teenies“ nur so in die Traditionsvereine. Ein Befund, den der Vorsitzende des Bayerischen Trachtenverbands, Otto Dufter, bestätigt: „Von Berchtesgaden bis zum Allgäu hat jede Ortschaft circa 60 Mädchen und Buben in der Kindergruppe“, erklärt der 75jährige. Ihm zufolge gefalle der Jugend „das Traditionelle“. Dies zögen sie „den Luftschlössern, die ihnen die Welt draußen vermittelt“, vor.

Da stellt sich dann schon die Frage, warum diese Trachtenbewegung bis heute regen Zuspruch erhält. Hier hilft ein Blick zurück. 1883 wurde in Bayrischzell ein Verein zur Erhaltung der Volkstracht gegründet. Als erster befolgte er damit einen Erlaß, den der bayerische König Maximilian II. schon im Jahr 1853 verfügt hatte und der den Bayern anriet, der heimatlichen Tracht den Vorzug vor modischer Kleidung zu geben. So entstand die Trachtenbewegung in Bayern, die vereint in dem bayerischen Trachtenverband, aktuell 230.000 Mitglieder, darunter 60.000 Jugendliche, zählt.

Neben der Förderung der Trachtenjugend wird besonderer Wert auf den Erhalt des bodenständigen Brauchtums gelegt. So pflegen sie die historischen Figuren- und Volkstänze und natürlich auch den Schuhplattler, der bereits in dem mittelalterlichen Epos des Ruodlieb als Werbetanz erwähnt wurde.

Darüber hinaus besteht satzungsgemäß die Verpflichtung, daß erfahrene Trachtler den Volkstanz an die gesamte Bevölkerung weitergeben. Dies wird gerne angenommen, wie die unter solcher Anleitung stark besuchten Volkstanzabende überall im Lande bestätigen.

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil ist die Pflege bodenständiger Volksmusik und des Volksliedes, die Mitwirkung bei kirchlichen Festen im Jahresablauf, das Maibaumaufstellen und – nicht zu vergessen – die Pflege der bayerischen Sprache und Mundarten sowie das aktive Laienschauspiel und Volkstheater. Hier hat auch der aus Riedering bei Rosenheim stammende Volksschauspieler Maximilian Brückner seine Wurzeln (jf 7/07), der inzwischen als Saarbrücker „Tatort“-Kommissar bekannt geworden ist.

Daß Tracht aber nicht gleich Tracht ist, ist vor allem beim alljährlichen Festzug während des Münchner Oktoberfestes festzustellen, der unter starker Mitwirkung der bayerischen Trachtenvereine  stattfindet. Ganz im Gegensatz hierzu die vermeintlichen Trachten, in denen sich viele Oktoberfestbesucher zeigen. Gestandenen Trachtlern sind diese schon lange ein Dorn im Auge. Nach ihrer Meinung würde für diese „Tracht“ der Begriff Landhausstil wesentlich besser passen.

Im Gegensatz dazu ist sich der Pollinger Trachtenverein „d’Ammerbergler“, der vor kurzem sein 90jähriges Bestehen feierte, der Tradition sehr wohl bewußt. Bei diesem Fest waren gesungene Verse, sogenannte „Gstanzln“ zu hören, mit denen das aktuelle Tagesgeschehen in bayerischer Mundart humorvoll durchleuchtet wird, dazu der traditionelle Heimatabend mit alpenländischer Volksmusik und Tanzdarbietungen und aus aktuellen Gründen ein „Milchbauernabend“ zum Thema Milchpreisabsturz. Aber auch der Kirchenzug zum Festgottesdienst, zu dessen Ende wie üblich die Bayernhymne erklingt, durfte nicht fehlen. Ist doch der Text mit dem, „Gott mit Dir, Du Land der Bayern, deutsche Erde Vaterland“ als ein gesungenes Gebet aufzufassen. Nicht zu vergessen die Ehrung der Verstorbenen und Gefallenen am Kriegerdenkmal, traditionell begleitet von Friedrich Silchers Melodie zu Ludwigs Uhlands „Ich hatt’ einen Kameraden“ ( „Der gute Kamerad“) und dazu die obligatorischen Böllerschüsse.

Höhepunkt eines jeden Trachtler-Festes ist dann der Festzug vor Tausenden von Zuschauern. In Polling mit 25 Vereinen, umrahmt von fünfzehn Musikkapellen und elf Trommlerzügen. Mittendrin der zwölfköpfige Trommlerzug, 27 Aktive und die 30 hochkonzentrierten Jugendlichen der Pollinger „d’Ammerbergler“. „Wir waren heut’ gut drauf!“ erklärt stolz ein achtjähriger Bub, und seine etwas ältere Schwester fügt gelassen hinzu: „War heut’ nicht so schlecht, oder?“

Mehr Informationen zum Thema im Internet unter www.trachtenverband-bayern.de

Fotos: Andacht am Kriegerdenkmal Polling: „Ich hatt’ einen Kameraden“, Festzug des Pollinger Trachtenvereins „d’Ammerbergler“: „War heut’ nicht schlecht, oder?“

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