© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/09 07. August 2009

Meldungen

Droysen: Blick zurück auf den 200. Geburtstag

MÜNCHEN. Der 200. Geburtstag des preußischen Historikers Johann Gustav Droysen (1808–1884) im letzten Sommer zeitigte „zwei größere Spezialtagungen“, einen weiteren Band der kritischen „Historik“-Edition und eine neue, vom Berliner Althistoriker Wilfried Nippel pünktlichst vorgelegte Biographie (jf 28/08). Das ist nicht viel und spricht eher für die Vermutung, daß Gedenktage immer mehr „zur Pflichtübung einer Mediengesellschaft“ gerieten, „die sich inhaltlich mit dem Erinnerten gar nicht mehr abgeben will“. Diesen Eindruck scheint Thomas Welskopp vor allem aus der Lektüre von Nippels Biographie gewonnen zu haben (Historische Zeitschrift, Band 288/09). Ginge es nach Nippel, so bestünde nämlich überhaupt kein Anlaß, an Droysen zu erinnern. Als Geschichtsschreiber Preußens hätte er ohnehin schon zu Lebzeiten anachronistisch gewirkt, und als Geschichtstheoretiker sei er bei ehrlicher Betrachtung doch nie mehr gewesen als ein „Vorwort- und Ankündigungstheoretiker“, sein Ruhm mithin nicht weniger als ein Kunstprodukt der „‘Droysenindustrie’ späterer Generationen“. Derartige Schmähungen habe der pommersche Pastorensohn nicht verdient, meint Welskopp, der Nippel sein einseitiges „moralisches Urteil“ vorhält. Lese man Droysens „Historik“ genauer, biete sie etwa ein erstaunlich zukunftsfähiges Verständnis von Institutionen, Tradition, Kontinuität, Staat und Freiheit – wenn man nicht Nippels banal liberalistische Freiheitsphraseologie als Maßstab anlege. Freiheit als abstraktes Menschenrecht gelte Droysen zwar nichts, wohl aber Freiheit als bewußtes Einfügen in „sittliche Gemeinsamkeiten“ und als verantwortliches Mitwirken an ihnen. „Das klingt ganz und gar nicht nach historistischer Staatsgläubigkeit, sondern durchaus zeitgemäß.“

 

Erste Sätze

Die eigentümliche Witterung einer nahen Gefahr vermittelte ihm von vornherein jene Wachsamkeit des Herzens, die ihn schon auf der Treppe spüren ließ, daß seine Fröhlichkeit um einen Grad zu lärmvoll war, um ganz echt zu sein.

Ernst von Salomon, Der Totschläger, in: Mondstein. Magische Geschichten, Berlin 1930

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