© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/09 07. August 2009

Bundestagswahl
Ablenken und ausweichen
Dieter Stein

Daß die Bundestagswahlen Ende September stattfinden, kommt nicht von ungefähr. Die Deutschen melden sich in den Sommermonaten Juli oder August in ihren Urlaub ab: Ausstieg aus dem Trott des Alltags für die, die es sich leisten können. Und das sind immer noch die meisten. Sie beschäftigt weniger die Wirtschaftslage als vielmehr die Frage, wer morgens als erster am Pool ist. Oder wie man abends das Gemisch aus Salz, Sand und Sonnencreme wieder abkriegt.

Erholt kommen die Wähler dann aus dem Urlaub zurück. Sie haben kaum Zeitung gelesen, eher den neuesten Donna Leon und die Bild (Schumi kehrt in die Formel 1 zurück!). Noch werfen die Bäume keine langen Schatten. Man kann noch einige Tage auf dem Balkon oder im Garten sitzen. Warum an Politik denken? Eigentlich könnte es doch immer so sein – und bleiben.

Deshalb, so die Kalkulation, muß die jeweils amtierende Regierung im noch Sommer atmenden September am wenigstens mit Abwahl rechnen. Im aktuellen Fall laufen die Kurzarbeiterprogramme idealerweise noch nicht aus. Die zu erwartenden Entlassungswellen haben noch gar nicht begonnen. Ist nicht sogar ein Aufschwung in Sicht? Haben die da in Berlin nicht alles goldrichtig gemacht? Eben noch souverän das Ruder rumgerissen (mit Milliarden-Garantien für die vom Untergang bedrohten Banken)? „Weiter so!“ wird also für viele Deutschen die Devise heißen – sehr zur Freude von Angela Merkel. Der „andere“? So ein staubtrockener Bürokrat?

Mit der CDU-Kanzlerin wird ja bereits beste sozialdemokratische Politik realisiert. Kohl ging 1983 noch mit dem Versprechen einer „geistig-moralischen Wende“ in die Wahl und gaukelte den konservativen Wählern vor, es werde ein „Zurück“ hinter die sozial-liberale Gesellschaftsveränderung geben. Später redete man sich dann mit „Koalitionsnotstand“ heraus und schob der FDP die Schuld für Zugeständnisse an den Zeitgeist zu, obwohl die 68er mit Rita Süssmuth und Heiner Geißler bereits die CDU gekapert hatten. Das Erfrischende an Merkel ist nun: Sie versucht gar nicht mehr den Eindruck zu erwecken, es ginge der CDU um eine „andere Politik“.

In ernsten und unser Land in seinem Kernbestand betreffenden Fragen gibt es keine kontroverse Debatte im öffentlichen Raum: Islamisierung, Einwanderung, Aufnahme der Türkei in die EU, demographische Selbstaufgabe, Zerstörung der traditionellen Familie, Auflösung nationalstaatlicher Souveränität und Demokratieverfall durch den Lissabon-Vertrag – alles keine Themen für den Bundestagswahlkampf. Statt dessen gibt es Ausweichmanöver, Ablenkungsdebatten, Modethemen, die als relevant verkauft werden. So wird dem Publikum erzählt, wie dringend endlich die Freigabe des Adoptionsrechts für homosexuelle Paare anliegt oder wie skandalös es ist, daß in den Industrievorständen noch immer mehr Männer als Frauen sitzen. Sicher wird es auch die eine oder andere Verbotsdebatte geben –ganz zu schweigen vom „Kampf gegen Rechts“. Packen wir es an!

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