© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/09 17. Juli 2009

Das unbequeme Bekenntnis
Georg Alois Oblinger porträtiert 28 Personen, deren Konversionen zum katholischen Glauben biographische Wendepunkte darstellten
Alexander Pschera

Der 23. November 1654 – 23. Mai 1521 – 12. Juni 1653 – 8. Oktober 1854 – 25. Dezember 1886: Diese Daten bezeichnen Wendepunkte, nicht in der globalen Geschichte Europas, sondern in der Biographie bekannter Persönlichkeiten. Es sind Konversionen zum Katholizismus, die sich an diesen Tagen ereignet haben, und einer der Vorzüge des Buches, um das es hier geht, liegt genau darin: die Messerschärfe des Übertritts – vom einen auf den anderen Tag sozusagen – aufzuweisen, mit der sich solche Übertritte oftmals ereignen.

Das Damaskus-Erlebnis des Heiligen Paulus, der nach Maria Magdalena der zweite in der Reihe großer Konvertiten ist, die uns Pfarrer Georg Alois Oblinger vorstellt, ist kein Einzelfall. Der französische Mathematiker Pascal beispielsweise erlebte am Abend des 23. November 1654, wie Feuer vom Himmel fiel. Er vertraute das Erlebnis einem Zettel an, den er ab sofort eingenäht in seiner Manteltasche bis zu seinem Tod mit sich herumtrug – als ewiges Vermächtnis dieses tiefsten Augenblicks seines Lebens gleichsam.

Der französische Dichter Paul Claudel, einer der Protagonisten des sogenannten Renouveau Catholique, besuchte am 25. Dezember des Jahres 1886 die Weihnachtsmesse in der Pariser Kathedrale Notre-Dame – aus purer Langeweile. In der Nähe des zweiten Pfeilers am Choranfang, rechts auf der Seite der Sakristei, wurde er dann von Gott angesprochen – aus dem Nichts heraus. Sein Herz erfüllte sich mit, wie er schreibt, „solch unbeschreiblicher Gewißheit, daß keinerlei Platz auch nur für den leisesten Zweifel offenblieb“.

Oblinger beschreibt in kurzen, prägnanten Texten 28 Konversionen – von Angelus Silesius über Henry Newman und Chesterton, von Léon Bloy über Theodor Haecker, Alfred Döblin und Kardinal Lustiger bis zu Ernst Jünger („Es ist nie zu spät“), um nur einige zu nennen. Konversionen, so weiß Oblinger, sind heutzutage ein Ärgernis – mitunter sogar für Protagonisten der katholischen Kirche, die ängstlich auf die Reaktionen der anderen Religionen äugen, wenn einer sich bekehrt. Bekehrungen von Orthodoxen und Juden sind in letzter Zeit in den Augen der Welt zu einer Art Lackmustest für die Anpassungsfähigkeit und Modernität der katholischen Kirche geworden – aber dadurch auch zu einer unerbittlichen Nagelprobe für die ewige Wahrheit, die sie verkündet.

So stellt denn Oblinger, der als Pfarrer in einer mittelgroßen schwäbischen Stadt alles andere als ein Theoretiker ist, die Porträts seiner Konvertiten unter die Leitfrage des Relativismus, die Papst Benedikt XVI. aktualisiert hat. Nur wer von der Existenz einer ewigen, weil geoffenbarten Wahrheit überzeugt ist, nimmt den – mitunter beschwerlichen und gesellschaftlich sperrigen – Weg einer Konversion auf sich.

Heute, in einer Zeit, in der alles irgendwie wahr ist und es sowieso gar nicht mehr darauf ankommt, was genau man eigentlich glaubt, ist ein offen vorgetragenes Bekenntnis zum dreifaltigen Gott ein Trompeten-Signal. Man denke nur an die Konversion Tony Blairs im Dezember 2007 oder an die ebenso spektakuläre wie umstrittene Taufe des Moslems Magdi Allam durch Papst Benedikt XVI. in der Osternacht 2008.

Eine Konversion ist immer unbequem, das zeigen Oblingers prägnante Impulstexte, die – was ganz wichtig ist – auch für Jugendliche zu empfehlen sind (Firmungsgeschenk!) und die im übrigen zu zahlreichen weiteren Lektüren und Re-Lektüren anregen. Sie ist nicht nur unbequem für die Umgebung des Konvertiten, sondern auch für den Leser. Denn angesichts der hier versammelten un-bedingten Christen könnte es durchaus an der Zeit sein, auch ohne „Damaskus“ sein eigenes Handeln und Wandeln unter die Lupe zu nehmen.

Georg Alois Oblinger: Gesucht–Gefunden. Bedeutende Konversionen. FE-Medienverlag, Kisslegg 2009, gebunden, 128 Seiten, 9,95 Euro

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