© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/09 17. Juli 2009

Kein Appetit auf Klonfleisch
Landwirtschaft: Über die Zulassung „neuartiger“ Lebensmittel ist ein politisches Kräftemessen auf europäischer Ebene entbrannt
Harald Ströhlein

Das Wort „Klonen“ ist aus dem Altgriechischen entlehnt und bezeichnet heute die Erzeugung von genetisch identischen Lebewesen. Besonders unter Bezugnahme auf Aldous Huxleys Roman „Schöne Neue Welt“ eignet sich die Thematik gut als Aufreger. Und seit 1996, als das walisische Bergschaf „Dolly“ als erstes geklontes Säugetier der breiten Öffentlichkeit vorgestellt wurde, scheinen die 1932 noch utopischen Befürchtungen zum Greifen nahe. Angeheizt wurde die Diskussion, als in der Folge auch genetische Duplikate einer Kuh, eines Schweines, einer Katze, eines Hundes und eines Pferdes im Labor erschaffen wurden.

Mittlerweile können dank intensiver Forschungsarbeit Dutzende von Tierarten geklont werden. Die Domäne des Klonens bleibt jedoch die Landwirtschaft. Beim Rind soll die Technik inzwischen am besten entwickelt sein. Weltweit gibt es etwa 5.000 geklonte Kühe, vor allem in den USA. Im Januar wurde von der Kinki-Universität in Japan mitgeteilt, daß man aus seit 13 Jahren tiefgefrorenen Hodenzellen des berühmten Bullen Yasufuku Klonkälber erzeugt habe. Sie liefern das sündhaft teure Hidagyu-Rindfleisch. „Unser Traum ist es, ein Mammut zu schaffen“, erklärte Forschungsleiter Kazuhiro Saeki. Längst laufen umfangreiche Studien über die gesundheitlichen Risiken von Klonfleisch. Die EU-Agrarminister haben sich daher vergangenen Monat als Minimalkonsens darauf geeinigt, daß Klonfleisch – sollte es irgendwann in den Handel kommen – zumindest gekennzeichnet werden muß.

Eigentlich sind geklonte Tiere lediglich eine Variante der Reproduktion, die in der Natur vielfach zu finden ist. So gibt es Pflanzen, die nur aus einem statt aus zwei Individuen entstehen und als Ableger, so die gewöhnliche Bezeichnung, Wohnzimmer zieren. Selbst im Tierreich findet sich das vaterlose Fortkommen: Manche Fisch- oder Echsenarten sichern ihre Existenz ohne die Paarung unterschiedlicher Geschlechter.

Findige Klonforscher haben dieses Prinzip nachvollzogen. Beim somatischen Zellkerntransfer wird einem erwachsenen Tier eine Körperzelle entnommen, woraus der Zellkern isoliert und in die entkernte Eizelle eines weiblichen Tieres übertragen wird. Der sich daraus entwickelte Embryo mit der genetischen Information des Spendertieres wird einem weiblichen Tier implantiert, welches, gleich einer Leihmutter, das geklonte Tier austrägt.

Das Hauptmotiv für die Forschung war ursprünglich in der Tierzucht zu finden, um im wesentlichen die Gene wertvoller Zuchttiere zu bewahren oder weiter zu verbreiten. Heutzutage steht im Vordergrund, Kühe oder Schweine als „Produktionsstätten“ für Medikamente zu nutzen. Bei diesem futuristischen „Pharming“ nimmt das Klonen eine Schlüsselrolle ein. So produzieren „transgene“ Kühe, denen ein entsprechendes Fremdgen eingesetzt wurde, beispielsweise Immunzellen gegen menschlichen Hautkrebs, die über das Blut gewonnen werden können und – entsprechend aufbereitet – als Bio-Medikament erkrankten Menschen helfen sollen. Eine mit dieser Fähigkeit geklonte Tierherde ließe die Produktion im großen Stil zu, weshalb wirtschaftlich ausgerichtete Unternehmen mit Argusaugen über die Entwicklung wachen. Solche über Biogeneratoren gewonnenen Arzneimittel werden schon heute als wirtschaftliche Alternative zu konventionell hergestellten Pharmaprodukten hoch gehandelt.

Daß das Klonen erneut für Schlagzeilen sorgt, hat einen anderen Anlaß. Es geht um die Zulassung von Lebensmitteln – speziell von Fleisch von Klontieren. Aber warum eigentlich? Der Fleischbedarf in der westlichen Welt wird durch die herkömmliche Erzeugung mehr als gedeckt, der Einsatz dieser teuren Technik würde sich allenfalls für Exotisches wie hochpreisiges japanisches Kobe-Rindfleisch lohnen. Und Umfragen in Deutschland oder Österreich zeigen, daß „Klonfleisch“ keinen Kaufrausch erwarten läßt. Eine darüber hinausgehende ethische Diskussion, wie bereits gefordert, erübrigte sich damit. Diese wäre vielmehr bei Fragen der Tierhaltung und Tierschlachtung angezeigt.

Warum sich die 27 EU-Agrarminister nun mehrheitlich dennoch für eine entsprechende Zulassungsgesetzgebung für Lebensmittel geklonter Tiere stark machen, wird mit der noch offenen Regelungslücke begründet. Hinter vorgehaltener Hand wird das Ansinnen mit dem Handelsstreit mit Washington in Verbindung gebracht, im Zuge dessen die EU über viele Jahre ein Einfuhrverbot von hormonbehandeltem Fleisch aus den USA verhängte. Fast ist es verständlich, wenn die US-Amerikaner angesichts des nun greifbaren EU-Marktes mit etwa einer halben Milliarde potentieller Konsumenten ein höchst lukratives Geschäft wittern. Da aber in der Praxis mittlerweile nicht mehr nachvollziehbar ist, ob die US-Ware von geklonten Tieren stammt oder nicht, könnte solches nicht deklariertes Fleisch erneut vor den Toren der EU scheitern.

So richtet sich der bange Blick auf das Europaparlament, welches im Rahmen des Mitentscheidungsverfahren seine Stimme in die Waagschale werfen wird. Unmittelbar nach Bekanntwerden des unpopulären Agierens der Agrarminister kündigte der Vorsitzende der CSU-Gruppe im EU-Parlament, Markus Ferber, Widerstand an. So wie das Parlament sich vor über einem Jahr mit breiter Mehrheit gegen die Zulassung „neuartiger“ Lebensmittel entschieden habe, werde man auch in der zweiten Lesung verfahren. Ein derartiger Ausgang des aktuellen Kräftemessens ließe hoffen.

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