© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/09 17. Juli 2009

„Hetze gegen den Islam“
Kampagne: Die deutschen Islamverbände nutzen den Mord an einer jungen Ägypterin in Dresden für ihre politischen Ziele
Michael Paulwitz

Tod für Deutschland“-Sprechchöre vor der Botschaft in Teheran, Rache-Drohungen aus Ägypten, Fahnenverbrennungen im pakistanischen Karatschi, Anschläge gegen Christen im Irak, die als Racheakte deklariert werden: Der Mord an der 32 Jahre alten Ägypterin Marwa el-Sherbini in einem Dresdener Gerichtssaal hat nicht nur international zu Haßkampagnen gegen Deutschland und den Westen Anlaß gegeben. Auch die Islam-Lobby in Deutschland instrumentalisiert das Verbrechen für ihre politischen Zwecke.

So plump wie der wegen Wahlfälschung unter Druck geratene iranische Präsident Ahmadinedschad, der seine unzufriedenen Landsleute mit der Forderung nach Sanktionen der Vereinten Nationen gegen Deutschland aufzuputschen versuchte, gingen die Kommunikationsprofis der deutschen Islamverbände natürlich nicht vor. Aiman Mazyek, Generalsekretär des Zentralrats der Muslime (ZMD), und dessen Vorsitzender Ayyub Axel Köhler als Sprecher des vom Zentralrat dominierten Koordinierungsrats der Muslime (KRM) demonstrierten zunächst ihre Kampagnenmacht, um dann konkrete Forderungen zu stellen: die Politik solle „Islamophobie“ bekämpfen, wie die Verbände sie verstehen, gegen islamkritische Internetplattformen wie „Politically Incorrect“ (PI) vorgehen und alle Kopftuchverbote aufheben – für die Verbände der Ausgangspunkt einer angeblich jahrelangen „Hetze gegen den Islam“, deren „schlimmer Höhepunkt“ der Mord an Frau el-Sherbini sei.

Kaltblütig nutzten Mazyek und Köhler die Steilvorlage, die ihnen die Bluttat eines 28 Jahre alten Rußlanddeutschen geliefert hatte. Alexander W. war im vergangenen Jahr zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er die Ägypterin bei einer Auseinandersetzung auf einem Kinderspielplatz als „Islamistin“ beleidigt hatte. In der Berufungsverhandlung am 1. Juli vor dem Dresdener Landgericht erstach W. binnen Sekunden die schwangere Mutter eines dreijährigen Sohnes. Ihr Ehemann, Doktorand bei der Max-Planck-Gesellschaft, wurde ebenfalls schwer verletzt und obendrein von einem Polizisten irrtümlich angeschossen.

Das Motiv scheint keineswegs klar. Oberstaatsanwalt Christian Avenarius, der tags darauf noch „eindeutig eine ausländerfeindliche Tat eines fanatischen Einzeltäters“ ausgemacht hatte, verwahrte sich später gegen die vorzeitige Preisgabe von Details. Der Tagesspiegel wußte zwar, der Täter habe sich als „NPD-Wähler“ bekannt, weitere „rechtsextreme“ Verbindungen waren aber nicht nachzuweisen. Inzwischen wurden Vermutungen laut, Alexander W. habe in der russischen Armee gedient und sei in Tschetschenien anti-islamisch traumatisiert worden. Es gab also gute Gründe für die anfängliche Zurückhaltung der Bundesregierung, die allerdings angesichts der massiven und ineinandergreifenden Kampagnen im In- und Ausland rasch zusammenbrach. Da die ersten eher nüchternen Meldungen nicht den Erwartungen entsprachen, verschärften die Generalsekretäre des Zentralrats der Muslime und des Zentralrats der Juden die Gangart. Aiman Mazyek und Stephan Kramer kritisierten vier Tage nach der Tat die „unverständlich spärlichen Reaktionen aus Politik und Medien“ und statteten dem Ehemann einen Solidaritätsbesuch im Krankenhaus ab, um „ein Zeichen gegen Islamophobie“ zu setzen.

Die in die Defensive geratene Bundesregierung folgte zwei Tage später: Kanzlerin Angela Merkel bekundete Betroffenheit und sprach auf dem G8-Gipfel mit dem ägyptischen Staatschef Mubarak über den Vorfall, Außenminister Steinmeier gelobte seinem ägyptischen Amtskollegen schnelle Aufklärung; die „Integrationsbeauftragte“ Maria Böhmer und der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (beide CDU) kondolierten persönlich dem Ehemann, Bischöfe, Minister und Kommunalpolitiker stimmten mit ein. Islam-Funktionäre und ägyptische Diplomaten wurden gefragte Gesprächspartner, ein Staatsanwalt aus Kairo darf sich persönlich informieren.

Der Krankenbesuch der Generalsekretäre fiel zeitlich mit der Beisetzung der Ermordeten in Ägypten zusammen, die zum Auftakt einer Protestwelle in der islamischen Welt wurde. In Deutschland rief der „Koordinierungsrat“ zu Schweigemärschen gegen Kopftuchverbote und „Islamophobie“ auf und hielt seine Imame zum Totengedenken während des Freitagsgebets in den Moscheegemeinden der Mitgliedsverbände an. Eine öffentliche Trauerfeier in Dresden unter großer Politiker-Beteiligung gab dem ZMD zehn Tage nach der Tat eine weitere Bühne zur Bekräftigung seiner Forderung nach einem „deutlichen Zeichen“ der Kanzlerin an die Muslime und nach „uneingeschränkter Freiheit“ des Kopftuchtragens. Die Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir griffen weitere Forderungen des Zentralrats auf.

Trotz dieser Rituale und Anbiederungen fällt das Ausbleiben der üblichen politisch-medialen Hysterie „gegen Rechts“ ins Auge. Die Beteuerungen der Regierungssprecher, es habe doch nun jeder die Tat verurteilt und man gehe seit Jahren gegen „Islamfeindlichkeit“ vor, klingen inzwischen eher genervt als überzeugt. Scharf kritisierte der „Zentralrat der Ex-Muslime“ die „Instrumentalisierung“ der Bluttat durch die Islamverbände, die Islamkritikern einen „Maulkorb“ anlegen wollten. Es gebe keine „Islamophobie“ in Deutschland; die Bundesregierung habe den Muslimen vielmehr immer wieder „erstaunliche Zugeständnisse“ gemacht, zuletzt beim Islamgipfel, und müsse eher aufpassen, nicht dem radikalen Islam Vorschub zu leisten. Dem ZMD-Chef Köhler warf die Vorsitzende der Ex-Muslime, Mina Ahadi, „Doppelmoral“ vor und bedauerte, daß plötzlich keiner mehr über sogenannte „Ehrenmorde“ rede.

Foto: Trauerfeier in Dresden für Marwa el-Sherbini: Zeichen gegen „Islamophobie“ in Deutschland?

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