© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/09 10. Juli 2009

Die Rückkehr zum Mond: Eine Arte-Dokumentation über zwei Überfliegerinnen
Spitzenforschung im Sari
Silke Lührmann

Moonwalker verläßt die Erde“: So überschrieben die Grünen, eigentlich längst nicht mehr für ihre poetische Ader bekannt, vor zwei Wochen eine Pressemitteilung. Michael Jackson wird den 40. Jahrestag der ersten Mondlandung am 20. Juli 1969 nicht mehr mitbekommen. Daß wir übrigen Erdenbürger ihn nicht verpassen, dafür sorgt auch hierzulande ein bunter Reigen an Fernsehsendungen.

Während anderswo genüßlich verschwörungstheoretische Absurditäten über den großen Schwindel hinter den damaligen Bildern wiedergekäut oder aber die Schicksale der zwölf Astronauten bedacht werden, die zwischen 1969 und 1972 die Mondoberfläche betraten und seelisch nie wieder ganz zur Erde zurückgefunden hätten („Sie kamen niemals zurück“, WDR, 13. Juli, 22 Uhr), richtet Arte den Blick in die Zukunft.

Eine Doku über Frauen im  Weltall? – Nun ja, nicht ganz

„Die Rückkehr zum Mond“ (15. Juli, 19 Uhr) erzählt von zwei Überfliegerinnen, die Neil Armstrongs giant leap for mankind als Kinder am Bildschirm miterlebten – die eine in den USA, die andere im fernen Indien – und diesen seither unter Diskriminierungsverdacht gestellten Begriff so verstanden, wie er wohl gemeint war: als Herausforderung nicht nur an die Herren der Schöpfung, sondern an die gesamte Menschheit, eine neue Wissenschaftselite herauszubilden.

Eine Doku über Frauen im Weltall voll im Gender-Mainstreaming-Trend also? Nun ja, nicht ganz. Hier hatten übrigens die Russen die Nase vorne, die 1963 die Kosmonautin Valentina Tereschkowa auf eine Erdumkreisung und 1980 Swetlana Sawizkaja auf den ersten weiblichen Weltraumspaziergang schickten. Erst drei Jahre danach folgte die amerikanische Physikerin Sally Ride.

Immerhin – so bemüht sich der Film von Thomas Greh, alte Geschlechter-Stereotypen aufzubrechen und durch neue zu ersetzen – müssen Frauen im Alltagsleben Kompetenzen entwickeln, die sie bestens für die Arbeit in den Forschungslabors der Raumfahrtbehörden qualifizieren: Als Familien-Managerinnen hätten sie sich die notwendige Flexibilität angeeignet, blitzschnell von einer komplexen Aufgabe zur nächsten umzuschalten und zeitnah Lösungsstrategien für unerwartet auftretende Probleme zu entwickeln.

Die Inderin Shashikala hat nicht nur einen Sternensensor erfunden, der dem indischen Satelliten Chandrayaan I den Weg zum Mond wies, sondern schmeißt nebenbei den Haushalt für ihren Mann und die 17jährige Tochter und gilt als so exzellente Köchin, daß sie sogar den Besuch bei Bruder und Schwägerin am Herd verbringen darf. Besser ergeht es Kathy Laurini in Houston, deren Mann schon mal das Abendessen vorbereitet hat, während sie die Söhne zum Fußballtraining chauffieren mußte.

Techniknarren werden bemängeln, daß Spitzenforschung hier auf Brigitte-Niveau dargeboten wird. Tatsächlich erfährt man mehr über das Familienleben der beiden Frauen und über die Inneneinrichtung ihrer Häuser als über Shashikalas Sternensensor oder über die Mondlandefähre, an deren Perfektionierung Kathy im Rahmen des „Constellation“-Programms arbeitet, mit dem die Nasa 2020 wieder Menschen zum Mond – und von dort aus zum Mars – schicken will. Als berge das Abenteuer Weltraum noch nicht Exotik genug, würzen die Filmemacher ihre Reportage mit einer Prise Lokalkolorit aus dem Technologiezentrum Bangalore.

In Bangalore beginnt der Arbeitstag mit einem Gebet

Während Shashikala, die im Dienst einen farbenfrohen Sari trägt und ihren Arbeitstag im Kollegenkreis mit einem Gebet an die Glücksgöttin Lakshmi beginnt, sich zu Spekulationen hinreißen läßt, ob es sich auf dem Mond besser lebe als im heimischen Smog, bleibt Kathy mit beiden Füßen fest auf dem Erdboden – und der offiziellen Nasa-Linie treu: Die für die Raumfahrtforschung aufgebrachten Milliarden seien keineswegs zum Mond geschossen, sondern Investitionen in unsere irdische Zukunft.      

Foto: Prototyp des Mond- und Mars-Rover der NASA

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