© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/09 10. Juli 2009

Frisch gepresst

Antizionismus. Obwohl schon 1946 geboren, stellt sich der seit 1986 an der Universität von Tel Aviv lehrende Shlomo Sand doch in die Front jener „neuen“, zehn Jahre jüngeren Generation israelischer Historiker, die sich sehr kritisch mit der zionistisch infiltrierten Historiographie des Judenstaates auseinandersetzt. Nicht ungefähr trägt sein jüngstes, ins Französische übersetztes Werk den modischen Titel „Comment le peuple juif fut inventé“ (De la Bible aus sionisme, Librairie Arthème Fayard, Paris 2008, gebunden, 446 Seiten, 23 Euro). Dem  erfindenden oder konstruierenden „Machen“ einer völkischen Entität, das Sand noch in den aktuellen Bemühungen israelischer Genetiker am Werk sieht, eine spezifisch jüdische DNA nachzuweisen, hält er vor, sich von den Prinzipien einer modern-demokratischen Bürgergesellschaft denkbar weit zu entfernen. Gegen die zionistische, ethnisch fundierte Identitätspolitik verteidigt Sand, fußend auf den Nationalismuskritiken von Karl W. Deutsch, Benedict Anderson und Ernest Gellner, das einer Einwanderungsgesellschaft wie der israelischen wohl angemessenere Modell der Integration durch „Teilhabe“ an universalisierbaren, allen zugänglichen, „offenen“ Rechten. Ein solcher „Verfassungspatriotismus“ dürfte im „Frontstaat“ Israel, dem nicht nur eine fanatische islamistische, sondern auch eine demographisch äußerst schlagkräftige Phalanx gegenübersteht, wohl an eng gezogene Grenzen der Akzeptanz stoßen.

 

Krieg der Kulturen. „Nur das Fremde zu lieben, ehe man zu sich selbst gefunden hat und ehe man das Eigene lieben gelernt hat, ist und bleibt selbstmörderisch.“ Rolf Stolz‘ leidenschaftliches Plädoyer für den Primat der Kultur vor der Ökonomie und somit auch vor dem Sozialen ist in seiner radikalen Konsequenz zugleich auch Aufruf und Weckruf zur kulturrevolutionären Veränderung. Dabei geht es dem Autor – 1980 gehörte er zu den Mitbegründern der Grünen und seit Jahren zählt er zum Autorenkreis der JUNGEN FREIHEIT –, nach eigener Aussage um die Rebellion gegen miserable Realien und um die Perspektive einer anderen Kunst und neuen Kultur. In diesem Kontext begreift Stolz folgerichtig den „Krieg der Kulturen“ dann auch als eine Tatsache. Doch um so wichtiger sei es, „mit der Kenntnis der eigenen Kultur, mit dem Wissen um ihre Wurzeln und ihre Bedeutung ein Bewußtsein davon zu schaffen, was uns als Europäer verbindet und was wir davor schützen müssen, in Barbarei und Fremdherrschaft unterzugehen“ – wie Stolz eine multikulturelle Zukunft deutet, die letztlich allein durch die Fertilität der Einwanderer gegenüber den Autochthonen droht (Nur Kunst. Essays zu Kunst und Kultur. Books on Demand, Norderstedt 2009, broschiert, 119 Seiten, 9,90 Euro).

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