© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/09 03. Juli 2009

Meldungen

1989: Die SPD und ihr „humanistisches Erbe“

BERLIN. „Wenn alle untreu werden, so bleiben wir doch treu.“ Die SPD ist nicht erst seit der letzten Europawahl keine Volkspartei mehr. Aber sie beherrscht die deutschen Lehrerzimmer, und sie weiß sich der Gefolgschaft aller sonstigen Volksbildner sicher, von der Kindergärtnerin bis zum kostengünstigen Juniorprofessor. Dies belegen nicht zuletzt Einlassungen ihres intellektuellen Anhangs zum Mauerfall-Jubiläum. Denn das Gros der Treuen will sich immer noch nicht lösen von den Phantasien des fatalen Eppler-Papiers, das vor 1989 SPD und SED auf den Boden gemeinsamen „humanistischen Erbes“ stellte. Die peinliche Einlassungen von Meck-Poms so sozialdemokratischem wie westdeutschem Ministerpräsidenten Sellering über den „vermeintlichen Unrechtsstaat“ DDR sind da nur die Spitze des Eisbergs. So will denn auch ein „alter Kämpfer“ der Partei wie der Zeithistoriker Bernd Faulenbach die „Bedeutung von 1989“ in „deutscher Erinnerungskultur“ nur anerkennen, wenn damit nicht die Dominanz des „negativen Gedächtnisses“ (Reinhart Koselleck) relativiert werde, in „dessen Zentrum zu Recht der Holocaust steht“. Etwas realistischer betrachtet sein Kollege Stefan Wolle im jüngsten, der „verdrängten Revolution“ gewidmeten Heft der Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik (vorgänge, 1/09) das SED-Regime. Ohne Wenn und Aber ist ihm der „Arbeiter- und Bauernstaat“ ein „Zwangssystem“. Vom „Humanismus“, den sich die SPD zurechtlog, keine Spur in einem totalitären System, das propagierte, die Partei sei überall dort, „wo ein Genosse ist“. Aber Verständnis für DDR-Nostalgiker zeigt Wolle schon, da 1989 vielleicht Freiheit und Gleichheit, aber allemal zuwenig „Brüderlichkeit“ in Mitteldeutschland Einzug hielt.

 

Erste Sätze

Der Naturphilosoph und Interpret naturwissenschaftlicher Forschungsergebnisse lebt heute in einer gespenstischen Umwelt; er wird von schallschluckenden Wänden eingeschlossen.

Gustav Schenk: Das Unsichtbare Universum. Darstellung und Dokumentation der Nuklearphysik, Berlin 1964

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