© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/09 03. Juli 2009

Dirk Hillbrecht ist Chef der Piratenpartei, die sich zur weltweiten Bewegung auswächst
Der digitale Korsar
Michael Hofer

Am 22. Juni schlug die Stunde der Bewährung für den 37jährigen Hannoveraner Dirk Hillbrecht, Vorsitzender der Piratenpartei Deutschlands (www.piratenpartei.de). Bei einer Phönix-TV-Runde sah er sich als Konterpart dem CDU-Rechtsexperten Rupert Scholz gegenüber – eine erstaunliche Chance für eine Partei, die bei der Europawahl nur 0,9 Prozent der Stimmen erhalten hat.

Daß die „Piraten“, die an diesem Wochenende ihren Bundesparteitag in Hamburg abhalten, solche Aufmerksamkeit erregen, liegt daran, daß es sich um eine rasch wachsende europäische Bewegung handelt, die sich gar anschickt, auf die übrige Welt auszugreifen: Schon befinden sich Piratenparteien etwa in den USA, Australien und Rußland im Aufbau. Vorbild ist die 2006 in Schweden entstandene Piratpartiet, die am 7. Juni überraschende 7,1 Prozent erzielte und einen Abgeordneten nach Straßburg schickt. Die deutschen Internet-Korsaren machten im selben Jahr Leinen los – nach eigenen Angaben inzwischen mit einer 2.000 Mann starken Mannschaft.

Für Wind in den Segeln sorgte jüngst die Debatte um das Zugangserschwerungsgesetz (JF 27/09), denn die Piraten treten für einen hyperliberalen Umgang mit dem Internet ein und warnen vor einer zensorischen „Infrastruktur“, deren Anlaß, die Sperrung kinderpornographischer Seiten, bald in Vergessenheit geraten könnte. Pikant, daß jüngst der SPD-Politiker Jörg Tauss, gegen den wegen Verdachts auf Besitz von Kinderpornographie ermittelt wird, aus Protest gegen die „zensorische“ Politik der Genossen nun bei den Piraten aufentert.

Bekannt ist die Piratenpartei aber vor allem für ihre Forderungen nach Reform des Patent- und Urheberrechts, was ihr den wohl passenden Ruf einer Ansammlung von Computernarren verleiht, die sich in erster Linie für freie Downloads von Medien aus dem Netz starkmachen. Schon ihr Name ist ein ironisches Bekenntnis zum Raubkopierer- und „Zieher“tum. Der neue Pirat im EU-Parlament machte jüngst in einem Interview klar, daß in erster Linie das „Menschenrecht“ auf freien Zugriff zähle, während Begriffe wie „geistiges Eigentum“ als fragwürdig gelten. Die vom deutschen Kapitän Dirk Hillbrecht mitinitiierte Seite www.patentfrei.de argumentiert etwa, Patentierung von Software sei ein „Innovationsrückgang“ mit fatalen wirtschaftlichen Folgen.

Bei Phönix hatte er also Gelegenheit zu erklären, warum unser Urheberrecht „die wissenschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung behindert“. Leider mußten im nachhinein selbst viele seiner Vitalienbrüder einräumen, daß ihm weder das gelang noch er überzeugend darzulegen vermochte, wie ohne Zensur ein rechtsfreier Raum im Netz verhindert werden könne. „Die Piraten brauchen dringend ein Rhetorik-Coaching“, kommentierte ein Leser in Hillbrechts Blog. Der Mathematiker und Gesellschafter mehrerer „Carsharing“-Firmen ist eben kein Polit-Profi. Ob es ihm und seinem wilden Haufen dennoch gelingt, zum Schrecken der digitalen Meere zu werden, bleibt abzuwarten.   

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