© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/09 26. Juni 2009

Meldungen

Die Destandardisierung der deutschen Sprache

WIESBADEN. Ist der sich derzeit rasant vollziehende Wandel der deutschen Sprache als „Sprachverfall“ zu werten? Der Leipziger Slavist Uwe Hinrichs will sich da nicht festlegen (Muttersprache, 1/09). Wichtiger ist ihm seine Beobachtung, daß die Mehrheit deutscher Linguisten sich über eine solche Wertung lustig macht, ohne selbst tiefere Ursachen des Wandels erklären zu wollen. Dies geschehe aus Rücksicht auf die Vorgaben „politischer Korrektheit“, die offenkundig „die forscherische und wissenschaftliche Unabhängigkeit der Denk- und Argumentationspfade“ behindere. Sprachwandel sei viel mehr als „Anglizismen, Jugendsprache, Kiezdeutsche, Chat“. Er empfange ungleich stärkere Impulse aus dem „Sprachkontakt und Sprachkonflikt“, den die Interaktion des gesprochenen Deutsch mit den Migrantensprachen auslöse. Hingegen erwecke die etablierte Linguistik den Eindruck, als spiele sich dieser tiefgreifende Wandel „unabhängig von der allgegenwärtigen Multikulturalität“ ab. Durch die Ausblendung dieses clash of languages werde ungewollt die „Verlotterungsthese“ bestätigt, „die man doch so vehement bekämpfen will“, da man offensichtlich die „Destandardisierung“ durch „Ausländerdeutsch“ als Vereinfachung und demokratische Einebnung der „Ungleichheiten in der Sprach- und Sprechkompetenz“ gutheiße.       

 

Fragwürdiges Vorbild: Dresdner Frauenkirche

STUTTGART. Dresden gilt heute in den Bereichen Stadtentwicklung und Denkmalpflege als „Stadt der Rekonstruktionen“. Dabei wollten nach 1945 auch im Elbflorenz Moralisten einen Teil der Ruinenlandschaft, die der angelsächsische Bombenterror hinterlassen hatte, mit der zerstörten Frauenkirche im Zentrum als ewige „Mahnung an Schuld und Sühne“ des deutschen Volkes erhalten. Mit dem Wiederaufbau der Semperoper (1977–1985) setzten sich aber jene Planer durch, die das „Kulturerbe“ im Zeichen der „neuen Ostpolitik“ auch touristisch zu nutzen hofften. Nach dem Mauerfall reüssierten endgültig die Rekonstrukteure und triumphierten im Oktober 2005, als die Wiedereröffnung der Frauenkirche zum „weltumspannenden Medienereignis“ wurde. Der Architekturhistoriker Hans-Rudolf Meier verweist darauf, daß sich in dessen Schatten am Dresdner Neumarkt ein „Furor des Bereinigens“ austobe und „archäologisch entsorgt“ werde, was dort historisierenden Neubauten im Wege stehe. Hier wirke das „Vorbild Frauenkirche“ zerstörerisch, und ob sich andere Vorhaben, die Schloßprojekte in Berlin und Potsdam etwa, daran orientieren sollten, wagt Meier zu bestreiten. Denn der „Gegenwartswert“ von Denkmälern für eine „sich neu formierende Gesellschaft“ übersteige inzwischen ihren „Alterswert“ (Die alte Stadt, 1/09).

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