© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/09 26. Juni 2009

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Regierbarkeit
Karl Heinzen

Der Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) hat die Forderung erhoben, auch bei Kommunalwahlen wieder eine Sperrklausel einzuführen. Er rechnete vor, daß bei einer üblichen Wahlbeteiligung von 40 Prozent gerade einmal 2.000 Stimmen ausreichen würden, um einer Splittergruppierung den Einzug in den Rat seiner über eine halbe Million Einwohner zählenden Stadt zu erlauben. Die daraus resultierende und zudem immer mehr wachsende Vielfalt in den Kommunalparlamenten erschwere es aber, stabile Mehrheiten zu zimmern, die Debatten und Entscheidungsprozesse würden immer langwieriger und am Ende drohe gar die Unregierbarkeit.

Mit seinem pragmatischen Vorschlag, dieser Tendenz durch eine Drei-Prozent-Hürde entgegenzuwirken, wird er jedoch, so überzeugend seine Argumente auch sein mögen, nicht durchkommen können, war es doch das Bundesverfassungsgericht höchstselbst, daß eine derartige „Benachteiligung“ der „Kleinen“ als unstatthaft bezeichnet hat. Dieser Vorgabe folgend, sind die einstigen Sperrklauseln auf kommunaler Ebene bundesweit abgeschafft worden.

Gleichwohl kann es nicht im Interesse der Werteordnung des Grundgesetzes sein, wenn ausgerechnet jene demokratischen Institutionen, die am bürgernähesten sind, zunehmend paralysiert werden. Das Argument, man solle doch wenigstens in den Kommunen zulassen, daß sich der Wille der Wähler ungefiltert in den Parlamenten widerspiegele, ist nicht überzeugend, wenn der Preis dafür die politische Handlungsunfähigkeit sein soll. Es verkennt zudem das aus historischen Erfahrungen erwachsene Selbstverständnis der modernen Demokratie, daß ihre Aufgabe darin zu sehen ist, stabile Regierungen aus einem von allen als legitim anerkannten Verfahren hervorgehen zu lassen, und es dabei nicht so sehr darauf ankommt, ob der sowieso kaum artikulierbare Wille der Wähler zuverlässig abgebildet wird.

Die in den letzten Jahren gewachsene Vielzahl von Fraktionen im Bundestag und in den Länderparlamenten zeigt, daß auch Sperrklauseln kein Allheilmittel gegen die Zersplitterung der Parteienlandschaft sind. Um die Effizienz staatlichen Handelns zu fördern, sollte daher die Maxime gelten, die Prozenthürde so hoch wie möglich und so niedrig wie nötig zu legen. Alternativ wäre ein Mehrheitswahlrecht nach britischem oder französischen Vorbild zu erwägen. Als optimal stellt sich die Verknüpfung von Listen- und Mehrheitswahl dar: Allein die Partei, die die meisten Stimmen auf sich vereint, darf Abgeordnete ins Parlament entsenden.

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