© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/09 26. Juni 2009

„Ach, wie schießt ihr schlecht“
Festkommers in Innsbruck: Etwa tausend Waffenstudenten gedenken dem Tiroler Freiheitskampf Andreas Hofers vor 200 Jahren
Hinrich Rohbohm

Der Festkommers der schlagenden Studentenverbindungen am vergangenen Wochenende in Innsbruck hatte viele Gegner – Medien, Politik, linke Organisationen. Einer aber stand auf der Seite der Verbindungsstudenten: Petrus. War der Himmel am Freitag noch wolkenverhangen und das Wetter von Dauerregen bestimmt, kam am Tag danach pünktlich zur Ehrung des Freiheitskämpfers Andreas Hofer auf dem Bergisel die Sonne durch.

200 Jahre ist es her, daß die Tiroler gegen die Truppen Napoleons um die Freiheit ihres Landes kämpften. Korporierte aus der Bundesrepublik und Österreich waren mit Abordnungen gekommen, um Kränze zu Ehren des Tiroler Volkshelden vor dessen Denkmal niederzulegen. Farbenfrohe Uniformen sind zu sehen: blaue, rote und violette Mützen, weiße Stürmer, grüne Barette, schwarze Cerevis, sogenannte Tönnchen. Manche tragen Stiefel, die bis zu den Knien reichen. Andere haben Fuchsschwänze oder weiße Federn an ihrem Barett.

Ein Dutzend Korporierter versammelt sich etwas abseits. Es sind die Chargenabordnungen. Zur Totenehrung marschieren sie unter Taktschlägen eines Trommlers vor dem Denkmal auf. Auf Kommando ziehen sie ihren Schläger, recken ihn in die Höhe. Eva Klotz schreitet zum Rednerpult. Die 57jährige war im vergangenen Jahr in den Landtag von Südtirol gewählt worden. Gemeinsam mit Sven Knoll bildet sie dort die Fraktion der Süd-Tiroler Freiheit – Freies Bündnis für Tirol. In ihrer Rede erinnert sie an Andreas Hofer: an den Kampf gegen die Truppen Bonapartes, an den Kampf für die Freiheit Tirols, der bis heute andauert.

Die Zeremonie bleibt ungestört – keine Steine werfenden Demonstranten, keine Trillerpfeifen. Die Polizei hat das Gelände weiträumig abgesperrt. Mit Bussen waren die Verbindungsstudenten zum Bergisel transportiert worden, eskortiert von Polizisten auf Motorrädern sowie mehreren Einsatzwagen mit eingeschaltetem Blaulicht.

Am Hofer-Denkmal ist von Autonomen oder sonstigen Demonstranten nichts zu sehen. Etwa 200 von ihnen stehen am Fuße des Bergisel. Sie pfeifen. Sie schreien, beschallen die Umgebung mit schriller Musik. Doch der Geräuschpegel gelangt nur mühsam hinauf zum Denkmal. Er muß sich seinen Weg durch die mächtigen Laubbäume des bewaldeten Hangs erkämpfen. Immer schwächer werdend erklimmt er den Berg, um vor den Stufen des Hofer-Denkmals seine letzte Kraft zu verlieren. Nur ein Polizeihubschrauber lenkt die Verbindungsstudenten für wenige Sekunden von der Ehrung ab, als er auf seinem Kontrollflug laut knatternd über das Freiheitsdenkmal schwebt.

Nach der Totenehrung überbrücken die Korporierten die Zeit bis zum Festkommers mit einem Bummel durch die Altstadt, kehren ein in den zahlreichen gemütlichen Cafés. Sie besichtigen das „Goldene Dachl“, ein Gebäude mit spätgotischem Prunkerker, dessen Dach mit seinen vergoldeten Kupferschindeln als Wahrzeichen der Stadt gilt.

Plötzlich wird es laut. Trillerpfeifen hallen durch Innsbrucks Straßen. Aus einem Megaphon ertönt eine kreischend-aggressive Stimme. Sie kommt aus dem Demonstrationszug, der sich durch die schmucken Gassen der Altstadt bewegt. Rund 2.000 Protestler. Es bleibt friedlich – zunächst. Doch nach Beendigung des Demonstrationszugs ziehen vereinzelte autonome Gruppen umher, rempeln Korporierte an, reißen ihnen die Mützen vom Kopf. Solche Provokationsversuche werden von der Polizei ebenso rasch unterbunden wie Versuche der Linksextremisten, Verbindungsstudenten mit Steinen zu beschmeißen.

Die Präsenz der Beamten ist hoch, etwa 1.000 sind zum Schutz der Kommers-Veranstaltung abgestellt. In Österreichs Medien findet sich darüber wenig. Thematisiert und kritisiert wird lediglich das Abhalten des Festkommerses. Ein Umstand, den der dritte Nationalratspräsident Martin Graf so nicht kritiklos hinnehmen möchte.

„Angesichts der unglaublichen Diffamierungen und der betriebenen Hetze der politischen Linken und einiger Medien in unserem Land gegenüber einem wesentlichen Teil des demokratisch organisierten Österreichs, dem Dritten Lager, und auch gegen die heutige Veranstaltung, kann niemand – und so auch ich nicht – zur Tagesordnung übergehen beziehungsweise ist es mir nicht möglich in meiner heutigen Rede die Vorkommnisse, Diffamierungen und Kriminalisierungen kritisch unreflektiert stehenzulassen“, sagt der 49jährige bei seiner Rede auf dem Festkommers. Rund tausend Korporierte haben sich in der Messehalle 4 eingefunden: Jung und Alt, Männer mit kleinem, dezenten Mensuren-Schmiß. Bei einigen zeichnen sich die Narben deutlich erkennbar im Gesicht ab.

 „Silencium“, ruft der Präside gegen 20.30 Uhr. In der Halle wird es still. „Omnes surgite“: Die Waffenstudenten erheben sich. Es erklingt der Königgrätzer Marsch, die Abgesandten der einzelnen Verbindungen marschieren ein, besetzen das für sie bereitete Podium. Man trinkt Bier, prostet einander zu, singt Tiroler Freiheitslieder. Martin Graf, selbst Altherr der Burschenschaft Olympia, ist Hauptredner des Abends. Er spricht von Freiheit. „Freiheit mit Verantwortung für die Gemeinschaft, für das Recht und für die Demokratie sind Werte, die es stets aufs neue zu erkämpfen gilt“, betont der FPÖ-Politiker.

So könne sich „in einer Zeit, wo Zeitgeistmagazine gewählte Volksvertreter mit Verbrechern wie Göring und Hitler gleichsetzen“, niemand einer Positionierung entziehen. „Mir gefällt zwar nicht, was die Gegendemonstranten über unsere Veranstaltung denken, sagen oder auch tun, aber ich würde mich vorbehaltlos mit meinem Leben dafür einsetzen, daß diese demonstrieren dürfen, solange sie uns sogenannten Rechten nicht nach dem Leben trachten, unsere Gesundheit gefährden oder unser aller Eigentum beschädigen. Genauso nehmen wir aber dieselben Grundrechte für uns in Anspruch. “ Und Eva Klotz kommentiert die Attacken von Medien, Politik und Demonstranten ganz im Stile von Andreas Hofer: „Ach,    wie schießt ihr schlecht ...“

 

Stichwort: Kommers

Seit dem 18. Jahrhundert ist das Wort in der Studentensprache bezeugt. Es leitet sich ab von „Kommerz“ (Handel und Wirtschaft) und wurde zunächst als Bezeichnung für jede Form geräuschvoller Veranstaltungen benutzt. Mittlerweile wird damit nur eine besonders festliche Feier studentischer Verbindungen bezeichnet. Sie wird von einem Präsidium geleitet und beinhaltet einen Festvortrag. Anders als bei einer sogenannten Kneipe steht beim Kommers nicht nur geselliges Singen und Trinken im Vordergrund, sondern meist ein ernster Anlaß. In Innsbruck wurde erstmals 1984 von den örtlichen Verbindungen ein Gedenk-Kommers in Erinnerung an den Kampf der Tiroler gegen Napoleon veranstaltet. 1994 wurde mit einem „Gesamttiroler Freiheits-Kommers“ der Einverleibung Südtirols durch Italien vor 75 Jahren gedacht.

Fotos: Hauptredner: Der dritte Nationalratspräsident Martin Graf, Ehrung: Kranzniederlegung und gezogene Schläger im Gedenken an den Tiroler Freiheitskampf von 1809, Farbig: Mit Scherpe und Barett, Andreas-Hofer-Denkmal in Innsbruck: Unglaubliche Diffamierungen und Hetze der politischen Linken gegen den Festkommers, „Silencium“: Chargenabordnungen mit Schlägern, Protest: Linke Demonstranten zogen durch Innsbruck

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